Mannesmann-Mulag

Aus porzerleben.de/porz-wiki

Im Jahr 1915 erwarben die Gebrüder Mannesmann für unterschiedliche Gewerbezwecke große Flächen der Westhovener Aue aus der Konkursmasse der Baugesellschaft Zilkens, Baumeister u. Co. über die Ziegelei Westhoven GmbH.

Das Fahrzeugwerk[Bearbeiten]

Gründung[Bearbeiten]

Die drei Brüder Reinhard jun., Carl und Max Mannesmann hatten zwei Aachener Werke, die Motoren- und Lastwagen-AG (MULAG) sowie die Mannesmann-Auto Co. mbh 1913 zur Mannesmann Mulag AG zusammmengefasst. In Westhoven erwarb das neue Unternehmen im März 1916 westlich der Kölner Straße und rund um die damalige Nikolausstraße Werk eine "mehrere hundert Morgen große Fläche" (Grundbuch 12, Blatt 508, 1-13). Hier errichtete sie zunächst ein über 200 Meter langes und 60 Meter breites Fabrikgebäude sowie Arbeiterwohnhäuser. Mehrere Anschlussgleise an die Kleinbahn sind zu dieser Zeit bereits projektiert[1]. Ab August 1916 sucht das Unternehmen Fachkräfte, aber auch Vorgebildete zur weiteren Ausbildung.

Das Werk Westhoven wurde vermutlich als Zweigniederlassung geschaffen, um in Kriegszeiten eine sichere Ausweich-Produktionsstätte jenseits des Rheins zu haben. Der Standort neben der Straßenbahntrasse war bewusst gewählt, dennn die seit wenigen Jahren bestehende Vorortlinie E der KVB fuhr auf Eisenbahnschienen, die Strecke von Poll nach Porz war auch für Güterverkehre in den Deutzer Hafen oder in das Reichsbahnnetz ausgelegt. Entsprechend entstand ab 1917 neben der Fabrik eine größere Werkbahn-Anlage in Westhoven.

Mit dem Aufbau und der Leitung betrauten die Geschwister ihren weiteren Bruder Alfred (1859-1944), der mit seiner Familie kriegsbedingt aus Marokko zurückgekehren musste und als Kriegsfeind entschädigungslos enteignet worden war.

Inbetriebnahme als Reparaturwerk[Bearbeiten]

Inserat Kölnische Zeitung v. 13.4.1921

Das Werk nahm im Herbst 1917 seinen Betrieb auf und reparierte in seiner Wagenreparatur-Abteilung zunächst Militärfahrzeuge. Zum Jahresende 1917 kam eine Härterei hinzu, im Frühjahr 1918 eine Schmiede. Am 26. Juni 1918 wurde das Werk als Mannesmann-Motoren GmbH & Co. selbständig (Handelsregister Nr. 2396), zugleich verlagerte das Unternehmen Teile der LKW-Fahrzeugherstellung von Aachen nach Westhoven. 1919 beschäftigt das Werk auch Automobilmonteure sowie Motoren- und Getriebsschlosser. Um 1920 firmierte das Zweigwerk überregional auch als "Motoren- u. Lastwagen Aktien-Gesellschaft Aachen-Cöln". Im April 1920 werden auf die Westhovener Grundstücke im Grundbuch 3 Millionen Mark Sicherungshypotheken eingetragen, sie sichern die Ausgabe von 3000 Teilschuldverschreibungen des Unternehmens[2]. Im Mai 1920 erhalten Wilhelm Brumme und der Oberingenieur Emil Wirthle Gesamtprokura.

1921 arbeiten im Werk über 500 Personen, wie aus einem Zeitungsbericht über einen Ausstand hervorgeht - die Arbeiter protestierten teilweise handgreiflich gegen den "Abzug der Akkordzulagen und der Steuern"[3]. Zu einer eigenständigen Produktion von Neufahrzeugen kam es in Westhoven wohl nicht, die Zweigniederlassung inserierte vielmehr: "Lastkraftwagenreparaturen. Zur Instandsetzung von Kraftwagen und Anfertigung von Ersatzteilen empfehlen wir unsere neuzeitlich eingerichteten Großwerkstätten."[4] Auch Autos wurden in Westhoven entwickelt und konstruiert. Aus einer Notiz von Carl Mannesmann: "Das Kein-Auto ist aus Westhoven von dem Führer Drexelius von Mulag Westhoven in Begleitung meiner beiden Söhne nach Remscheid geführt worden. Hierbei ist fast der gesamte Mechanismus des Wagens schwer beschädigt worden, weil die ganzen Teile zu schwach konstruiert sind. Die Fahrt von Westhoven nach hier hat von morgens 1/4 11 Abfahrt in Westhoven (bei Köln) bis 1/4 4 nachmittags Ankunft in Remscheid gedauert..." [5]. Nach Verbesserungen wurde dieses Fahrzeug mit der Bezeichnung W II in Remscheid gefertigt. In den Jahren 1925 bis 1927 errang es bei Eifelrennen wiederholt die Deutsche Tourist-Trophäe.

Schließung[Bearbeiten]

Ausfuhrschwierigkeiten durch die Rhein/Ruhrbesetzung führten 1923 zum Verkauf eines Teils der Werksanlagen, die Firma wurde nun wieder von Aachen aus geführt. In den folgenden Jahren setzten sich die Umsatzrückgänge fort - die amerikanische Konkurrenz produzierte billiger. Ende 1925 endete die Prokura von Voktor Kastner. Um einen Konkurs abzuwenden, entließ das bereits unter Geschäftsaufsicht stehende Hauptunternehmen im Rahmen seines Sanierungsprogramms alle Beschäftigten und schloss das Werk zum Jahresende 1926. Die Prokura von Barbara Wirtz erlosch, die Vorstandsmitglieder Arthur Schweinsfurth und Julius Sittel legten ihre Ämter nieder. Im Februar 1927 wurde auch formal die Zweigniederlassung Westhoven aufgehoben[6]. Die Villa Mannesmann verblieb im Besitz der Familie Alfred Mannesmann. Das Westhovener Gelände wurde vom Landmaschinenbauer Massey-Harris übernommen.

Weitere Mannesmann-Unternehmen in Westhoven[Bearbeiten]

Die Waffen- und Munitionswerke[Bearbeiten]

Ein kurzes Dasein hatte dieser Unternehmenszweig in Westhoven. Seit 1915 bestand in Remscheid die Mannesmann Waffen- und Munitionswerke GmbH. Ihr Zweck war die Herstellung und der Vertrieb von Waffen, Munition und Maschinen aller Art. Unter der Nummer 6571 wurde nun auch ein Werl in Westhoven bei Köln eingetragen, Inhaber Reinhard Mannesmann. In den letzten Monaten des Jahres 1915 suchte dieses Unternehmen in Anzeigen der Kölner Zeitungen 100 Schlosser und Dreher "gegen hohen Lohn"[7]. 300 Bauarbeiter errichteten ab Mitte 1916 in Westhoven an der Oberstraße eine 20.000 qm umfassende Waffenfabrik, ein Pförtnerhaus, eine Werkskantine, einen Holzschuppen für Sprengkapseln, diverse Erweiterungsbauten und einen 52 Meter hohen Schornstein. Zu dieser Zeit tritt als weiterer Geschäftsführer Franz Forscht in das Unternehmen ein. Ende 1916 gibt es in Westhoven ein Zünderlaboratorium. Zur Mitte des Jahres 1917 wurden wochenlang Dreher, auch zum Anlernen, gesucht. Im Frühjahr 1918 erhielten die Zeitungen des Reiches eine Zensurverfügung: "Alle Veröffentlichungen über eine bei den Mannesmann Waffen- und Munitionsfabriken Westhoven und in der Verbindung damit bei anderen Firmen (...) eingeleitete Untersuchung wegen Steuerhinterziehung und Bestechung von Heereangehörigen sind verboten." Hierzu stellte der Sozialdemokrat Noske im Reichstag eine Anfrage[8]. Zu diesem Zeitpunkt war die GmbH bereits in Liquidation mit Franz Forscht als Liquidator[9]. Das Werk in Westhoven bestand weniger als zwei Jahre, spätestens Ende April 1919 wurde die Produktion eingestellt. Der Löschungseintrag im Handelsregister stammt vom November 1926 und hebt die noch bestehenden Prokuren von Carl Mannesmann, Alfred Mannesmann, Hans Bröse und Otto Watzl auf. Der Schornstein hingegen stand noch bis Anfang August 1971, erst dann fiel er gesprengt zusammen, um Lehrlingswerkstätten der Bundespost Platz zu machen[10].

Flugzeug-Entwicklung[Bearbeiten]

Eine dem Fahrzeugwerk angegliederte streng geheime Flugzeug-Entwicklungsabteilung befasste sich mit der Entwicklung ferngesteuerter Lufttorpedos und gegen Ende des 1. Weltkriegs mit der Fertigung eines Dreidecker-Riesenflugzeugs. Das deutsche Militär erhoffte sich den Bau eines Flugzeuges, das den Atlantik überqueren und so die britische Seeblockade brechen könnte. Entwickelt wurde das Riesenflugzeug zunächst durch die Firma Brüning & Sohn bei Hanau, bevor der technische Leiter des Projektes, der lettische Flugzugkonstrukteur Villehad Henrik Forssman (1884-1944) von Reinhard Mannesmann jr. 1918 nach Westhoven bzw. Poll beordert wurde. Pläne und Teile des Flugzeugs wurden 1919 durch die Besatzungsmächte in einem Hangar in Poll entdeckt, darunter die 2,40 m hohen Fahrwerksräder und der hölzerne Rumpf.

Weitere Mannesmann-Firmen[Bearbeiten]

  • 1918 wurde am 4. Juni die Mannesmann-Motoren GmbH Westhoven bei Cöln neu eingetragen[11]. Sie hatte ein Stammkapital von 20.000 Mark, Unternehmenszweck war "die Herstellung und der Vertrieb von Motoren und Maschinen aller Art". Geschäftsführer wurde Franz Forscht. Der Generaldirektor der Mannesmann-Mulag aus Remscheid und enge Vertraute der Familie Mannesmann hatte bereits seit Juli 1916 Prokura für die Ziegelei Westhoven und war zudem seit März 1918 Geschäftsführer der Rheinkies- und Sandbaggereigesellschaft Köln-Westhoven. Bereits im Juli wurde die GmbH in eine KG mit drei Kommanditisten umgewandelt. Vier Monate später hieß die GmbH nun unter Wegfall des Namens Mannesmann nur noch knapp Motoren-Gesellschaft mbH, zwei weiter Monate später wurde im Januar 1919 auch der Name der KG gekürzt, zudem "sind drei Kommanditisten ausgetreten und drei neue eingetreten".[12] Im Februar erhielt Reinhold Franke Prokura, dann verliert sich die Spur des Unternehmens.
  • Die Mannesmann Chemische Werke mbH stellte in den frühen 20er Jahren in Westhoven einige Jahre lang pharmazeutische Produkte her, dann wurde das Unternehmen um 1926/27 nach Remscheid verlegt.
Aachener Anzeiger v. 23.02.1922
  • Ab März 1921 war in Westhoven eine Zweigniederlassung der Mannesmannhaus GmbH angesiedelt (Handelsregister Nr. 3751). Gegenstand des Unternehmens mit einem Stammkapital von 20.000 Mark war die "Herstellung von Bauwerken aller Art, insbesondere nach dem Mannesmann'schen Verfahren." Geschäftsführer war der Kaufmann Franz Forscht in Remscheid. Für das Hauptwerk in Remscheid hatte Reinhard Mannesmann "in jahrelangem Arbeiten zusammen mit seinem verstorbenen Bruder Max unser neues Hausbausystem geschaffen."[13] Diese bestand aus industriell vorgefertigten Betonplatten, die auf der Baustelle nur noch montiert werden mussten. Aber nicht Westhoven, sondern Remscheid war der Produktionsstandort dieser Elemente. Allerdings entstand in Westhoven in der Berliner Straße, vermutlich um 1917, ein erstes Versuchshaus. Errichtet wurde zudem 1921/22 unter der Robertstraße 6-8 ein Plattenhaus, das noch heute steht. Im Juni 1923 wird dem Baumeister Hans Sörensen aus Westhoven Gemeinschaftsprokura erteilt. Bereits im Juli 1925 wurde der Handelsregister-Eintrag der Zweigniederlassung dann aber "wegen Nichtigkeit von Amts wegen gelöscht".[14]

Quellen, Links und Literatur[Bearbeiten]

KuLaDig-Eintrag zu Mannesmann-MULAG (Link)

  1. Kölner Lokal-Anzeiger v. 21.3.1916
  2. vgl. Berliner Tageblatt v. 11.4.1920, S. 21
  3. Rheinische Volkswacht v. 10.9.1921
  4. Kölner Zeitung v. 28.6.1923
  5. 27.09.1920, zit. n. familie-mannesmann.de
  6. vgl. Kölnische Zeitung v. 4.2.1927. Im Jahr 1929 gingen die Mannesmann-Mulag Werke in Aachen und Remscheid in Liquidation.
  7. Kölner Lokal-Anzeiger v. 8.11.1915
  8. Volksfreund Baden v. 20.4.1918
  9. vgl. Kölnische Zeitung v. 11.5.1918
  10. vgl. KStA Porz v. 7.8.1971 (mit Foto).
  11. Unter der Nr. 2545, vgl. Kölnische Zeitung v. 13.6.1918
  12. Kölnische Zeitung, 26.1.1919
  13. siehe nebenstehende Anzeige
  14. Kölnische Zeitung v. 17.7.1925. Die Gesellschaft in Remscheid befand sich ab Mitte August 1925 in Liquidition.