Aero-Stahl Fluggerätebau

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Aero-Stahl Fluggerätebau GmbH[Bearbeiten]

1937 gründete der Bonner Ingenieur Walter Schierberg (*1906) die Firma Aero-Stahl Walter Schierberg und ließ sie am 24. August in das Handelsregister Bonn eintragen[1]. Der Unternehmenszweck ist nicht beschrieben, vermutlich ging es um die Entwicklung von Präzisionsteilen für zivile Flugzeugmotoren. Ein gutes Jahr später erhielt der Treuhänder Dr. Alphons Liedgens Ende November 1938 für sieben Monate Gesamtprokura.

Inserat, Kölnische Zeitung v. 24.11.1940

Im November 1940 suchte die Firma für ihr Werk II, Fluggerätebau mit Sitz Porz am Rhein, Vorrichtungs-Konstrukteure. Produziert wurde zunächst mit rund 25 Beschäftigten auf dem Gelände der ehemaligen Syrup-Fabrik Giess in der Kaiserstraße 141, unmittelbar neben der Eisenbahntrasse. Dann erwarb Schierberg das 17.700 m² große Grundstück des früheren Sternenberger Hofs an der Kaiserstraße 23. Oder aber das Reichsluftfahrtministerium enteignete die Gemeinde Porz hinsichtlich dieses Grundstücks. Im Juni 1941 findet sich zur Fortführung des Werkes II im Kölner Handelsregister die Aero-Stahl Fluggerätebau GmbH mit Sitz in Porz[2], ausgerüstet mit einem Stammkapital von 350.000 Reichsmark. Alleiniger Geschäftsführer war Walter Schierberg, jeweils gemeinsame Prokura hatten Karl Amberg aus Köln-Sülz, Ernst Dunkel aus Bad Godesberg und Fritz Single aus Porz-Urbach. Das Fabrikgeschäft, aber auch die Immobilien und Produktionsanlagen des Werkes II gingen zum 1.1.1941 als Einlage von Walter Schierberg im Nettowert von knapp 168.000 Reichsmark in die GmbH über. Auf dem Grundstück[3] lagen noch Lasten in Höhe von 268.200 Reichmark. Gefertigt wurden nun am neuen, deutlich größeren Standort Unterbaugruppen für Flugzeugmotoren, insbesondere Einspritzpumpen. Im selben Jahr wurde die Produktion auf Rüstungsproduktion umgestellt, Aero-Stahl fertigte Einspritzpumpen für Militärflugzeuge und wurde so zum einzigen Rüstungsbetrieb in der Gemeinde Porz während des Krieges. In den Jahren 1941 bis 1943 errichtete die Firma Aero-Stahl in Zündorf für ihre Angehörigen 40 Doppelhaushälften in den neu angelegten Straßen Kirschweg und Kinkelsmaarweg, im Volksmund Luftwaffensiedlung oder Schwarze Siedlung genannt.

1942 setzte der Oberbefehlshaber der Luftwaffe (RdLuObdL) den Inhaber als Firmenchef ab und stellte das Werk unter die Oberaufsicht der Hermann-Göring-Werke. Zugleich firmierte das Unternehmen in eine KG um. Schierberg, Mitglied der NSDAP, blieb aber Eigentümer und in leitender Funktion im Unternehmen tätig. Er überwachte 1944 auch vor Ort die Fertigung in Oberschlesien. Die Firma setzte dann auch Zwangsarbeiter/-innen ein, die im sog. "Nordlager" der Kaserne Wahn und am Kriegerweg (heute Kriegerstraße) im Grengel in Baracken untergebracht waren. 1943 kam es zu einer polizeilichen Untersuchung gegen die Betriebsleitung.

1943 verlagerte das Unternehmen einen Teil seiner Fertigung nach Andrichau in Oberschlesien (heute Andrychów, Polen)[4]. Denn bereits 1942 gingen erste Bomben auf einem Acker neben dem Porzer Werk nieder - die Rüstungsproduktion war somit den Alliierten bereits bekannt. Produziert wurde in Oberschlesien auch eine Zwölffach-Einspritzpumpe für die Messerschmitt ME 110[5]. Die Belegschaft bestand aus Zwangsarbeiter/-innen aus Polen sowie Kriegsgefangenen aus Russland, der Ukraine, den Niederlanden und Tschechien. Mitte August 1944 wurde dieser Betriebsteil wegen des russischen Vormarsches zurückverlagert. Zunächst wurde das Werksgelände an der Kaserstraße durch Tarnnetze und Nebelanlagen vor Bombentreffern geschützt. Ab Dezember 1944 nutzte die Firma dann das Stollensystem des früheren unterirdischen Schamott-Steinbruchs Ofenkaulen östlich von Königswinter. Hier hatten Fremdarbeiter und Kriegsfangene die vorhandenen Stollen und abbauflächen, insgesamt rund 10.000 m², zwischenzeitlich betoniert. Rund 400 Zwangsarbeiter-/innen, die in zehn Baracken untergebracht waren, fertigten hier bis Anfang März 1945 hinein Einspritzpumpen für BMW-Jagdflugzeug-Motoren. Das Werk in Urbach wurde im Mai 1945 von der US-Armee beschlagnahmt und sämtliche Produktionsanlagen demontiert.

Dem Eigentümer des Werkes, Walter Schierberg, wurden in Polen Kriegsverbrechen vorgeworfen. Nach der Auslieferung durch das US-Militär verurteilte ihn ein Gericht in Wadowice. Doch die Berufung beim Obersten Gerichtshof in Krakau hatte Erfolg, im Juli 1949 kam Schierberg frei.

Firmenlogo

Watford Chemie GmbH[Bearbeiten]

Die leeren Hallen nutzte bald die Firma Watford-Chemie GmbH für ihre Zwecke. Sie errichte 1948 in ihren Betriebsgebäuden eine Brandmauer (Flur 12, Nr. 59/9 und 58/9,8). Im Dezember 1947 mietete die Gemeinde Porz auf fünf Jahre einige Hallen zur Unterbringung der ersten Berufsfeuerwehr in Porz. Nach Ablauf dieser Zeit konnte 1953 die neue Feuerwache an der Kaiserstraße 69 bezogen werden. Die Nutzung durch die Watford Chemie GmbH war nur ein Zwischenspiel und lief 1949 bereits wieder aus.

Aufdruck Briefumschlag 1966

Steatit Magnesia AG, Werk Porz[Bearbeiten]

Neuer Interessent des Geländes wurde 1949 die Steatit-Magnesia AG. Sie fertigte vor dem 2. Weltkrieg technische Keramiken für die Elektroindustrie in Berlin und Teltow und nutzte die Produktbezeichnung DRALOWID (Drahtlose Widerstände) auch zur Benennung ihrer Betriebe. 1948 wurde das Dralowid-Werk in Teltow enteignet und in einen Volkseigenen Betrieb überführt. Daraufhin wählte das Unternehmen den Porzer Standort für eine Fortführung der Produktion. In die Sternenberg-Villa zog die Verwaltung ein, im Park wurde eine große Fertigungs- und Versandhalle errichtet. An der Kaiserstraße war der Haupteingang mit dem Pförtnerhäuschen. Bereits Mitte 1950 begann die Fertigung, die Produktpalette des ehemaligen Teltower Werkes wurde weitgehend übernommen. 1953 wurde auch eine 8-mm Filmkamera Dralowid Reporter 8 gefertigt. Bis zu 800 Beschäftigte waren in den folgenden Jahren im Betrieb tätig. Die Eingliederung der Steatit Magnesia AG in den AEG-Konzern führte nach drei Jahren Produktionsabbau schließlich zum Ende des Porzer Werkes: 1971, nach Gründung der Rosenthal Stemag Technische Keramik GmbH, hieß das Porzer Werk DRALOWID-Werk, weitere Dralowid-Werke gab es aber auch in Berlin, Siegburg, Wilster und Ebnath. Doch bereits 1972 wurde der Porzer Standort geschlossen. Die Ruinen der Fertigungshalle standen bis in das Jahr 1997 weiterhin auf dem Gelände.

Folgenutzung[Bearbeiten]

1973 ging das Gelände an die Bundesvermögensverwaltung über, die Immobilienverwaltung der Bundeswehr vergab es an die Luftwaffe. Diese nutzte das Gelände noch bis 2002 als Materialdepot (LwMatDp81) bzw. die Villa bis 2006 als Dienstgebäude (Abteilung ZAV Lw). Anfang 2007 erwarb ein Investor das Areal und bebaute es mit 85 Geschosswohnungen und 22 Reihenhäusern.

Quellen, Literatur und Links[Bearbeiten]

Zwangsarbeit bei Aero-Stahl (Link)
KuLaDig: Zwangsarbeitslager Ofenkaul (Link)

  1. vgl. Mittelrheinische Landes-Zeitung v. 9.9.1937.
  2. vgl. Kölnische Zeitung v. 15.6.1941.
  3. Genannt wurden im Grundbuch Urbach die Parzellen Flur 6, 715/15 bis 720/15.
  4. Auf dem Gelände befindet sich heute das ANDORIA S.A. Hochdruckmotorenwerk
  5. vgl. auch für Nachfolgendes ausführlich Fryś, Andrzej: Mało znane fakty z okresu II Wojny Światowej (Link)