Die Westhovener Aue als Naherholungsgebiet – Gestern und Heute

Westhovener Aue, Foto Peter Locher 2013

„Jeder, der einmal diesen schönen Spaziergang durch die saftigen Wiesen, neben sich stets das abwechslungsreiche Bild des belebten majestätischen Rheinstromes, gemacht hat, wird ihn lieb gewinnen und öfter wiederholen. Denn kein rasendes Auto, kein staubwirbelnder Wagen, kein dahinstürmender Radfahrer verleidet ihm hier den Genuß der stillen, ruhigen Wanderung.“

So schwärmte der Kölner Lokalanzeiger in der Ausgabe vom 3. Juni 1911 von einem damals noch recht unbekannten Ausflugsziel, das durch verschiedene neue Verbindungswege über den Rhein – die Südbrücke und zwei Fähren – leichter erreichbar wurde. Die Westhovener Aue lockte als neues Naherholungsgebiet viele Kölnerinnen und Kölner auf die Schäl Sick. Die heißen Sommer der Jahre 1910, 1911 und 1912 waren ein weiterer Grund für die Menschen, der engen Stadt dorthin zu entfliehen.

Die Westhovener Aue bot nicht nur Erholung im Grünen und am Wasser, sondern auch Gelegenheiten zur Einkehr. Der Kölner Lokalanzeiger hob damals hervor, dass nach der Wanderung „aus dichtem schattigem Baumbestand ein großes Restaurant und Garten-Etablissement grüßt, der Kielshof“.

Ansichtskarte vom Restaurant Kielshof um 1912

Ursprünglich ein Gutshof der Deutzer Benediktiner-Abtei, ging der Kielshof im Zuge der Säkularisierung in Staats- und später in Privateigentum über. Um 1910 wurde der landwirtschaftliche Betrieb in ein Ausflugslokal umgebaut und erfreute sich bereits in den ersten Jahren wachsender Beliebtheit. Der Kölner Lokalanzeiger lobte besonders die Aussicht: „Von hundert Meter langer hoher Terrasse genießt man das lieblich gelegene Rodenkirchen, rheinaufwärts Ensen und Porz und fern am Horizont gewahrt man die Perle des Rheines, das Siebengebirge. Unstreitig wird das Etablissement, das vorzüglich geführt wird, Ziel- und Treffpunkt vieler Kölner Familien werden.“

Die Attraktivität des Kielshofes als Ausflugsziel erhöhte sich nach dem ersten Weltkrieg weiter. Die Schifffahrtsgesellschaft Gebr. Weber-Schiff hatte eigens einen Pendelverkehr vom Malakoffturm zum Kielshof eingerichtet, der in den 20er Jahren regelmäßig Passagiere übersetzte. Die feste Anlegestelle wurde u.a. damit begründet, dass ca. 45.000 bis 50.000 Besucher pro Jahr mit dem Schiff zum Kielshof kämen, der dadurch im Ranking gleichauf mit Bad Honnef, Linz etc. läge und dass nachmittags stündliche Anlandungen stattfänden. Das wirkte sich auch nachteilig aus: Der Kielshof galt damals als teuer und überfüllt.

Das Poller Fischerhaus am nördlichen Rand der Westhovener Aue war ein zweiter gastronomischer Anlaufpunkt. Es entstand aus einer ehemaligen Holzhütte, in der Poller Fischer noch im 19. Jahrhundert ihre Netze und Gerätschaften aufbewahrten.

Poller Fischerhaus, 1920er Jahre

Ab etwa 1904 soll dort, zunächst von einem Zelt aus, Kaffee und Kuchen verkauft worden sein. Die neue Einrichtung profitierte von den bereits erwähnten neuen Verbindungsmöglichkeiten über den Rhein, insbesondere der Fähre zum gegenüberliegenden Marienburg. Aus dem Provisorium entstand eine attraktive Restauration mit einem ausgedehnten Biergarten. In den 20er Jahren fanden Hunderte von Gästen dort Platz und wurden von 20 Kellnern bedient.

Fähre Marienburg-Poll, 1958, Foto Rudolf Helpers

Neben den beiden Anziehungspunkten Poller Fischerhaus und Kielshof entwickelten sich auch Wassersportaktivitäten am Ufer des Rheins. Am Weidenweg in Poll etablierten sich Anfang der 1920er Jahre so genannte „Luftbäder“. Für 20 Pfennig konnte man etwa im Wiesenhaus die Liegewiese mit Blick auf Rodenkirchen nutzen und im Rhein schwimmen. Auch Kneipp-Anwendungen waren wohl möglich. Stromabwärts daneben hatte der Rhein-Kanu-Klub ein Grundstück gekauft und ein schönes Bootshaus errichtet. Der Rhenania- Schwimmverein von 1919 erwarb dort ebenfalls ein Grundstück für Schwimmaktivitäten.

Westhovener Aue mit Ausflüglern, Privatfoto 30er Jahre

Leider änderte sich zur NS-Zeit die ganze Situation. Der Weg nach Westhoven wurde 1935 durch den Bau einer Pionierkaserne versperrt. Dann begannen 1938 die Bauarbeiten an der Rodenkirchener Brücke und störten die Ausflugsidylle. 1939 musste das Poller Fischerhaus schließen und wurde später abgerissen. Für die sportlichen und erholungswirtschaftlichen Einrichtungen bedeutete der Zweite Weltkrieg das Ende der Aktivitäten.

Nach dem Krieg wurde das ehemalige Militärgelände der Reichswehr ab 1951 durch belgisches Militär als Übungsgelände erneut besetzt. Zwischen Westhoven und Poll endete die Welt vor einem Stacheldrahtzaun. Und es sollte bis 1995 dauern, bis es wieder möglich war, den Leinpfad durchgängig zu benutzen.

Auf der Poller Seite eröffneten in den 1950er Jahren das Poller Fischerhaus und das Wiesenhaus erneut als Ausflugslokale. Der im zweiten Weltkrieg zerstörte Kielshof jedoch war zunächst als Erholungsheim geplant, wurde dann aber zu Beginn der 1960er Jahre zu einer Wohnanlage umgebaut. Seitdem fehlt am südlichen Rand der Westhovener Aue ein gastronomischer Anlaufpunkt. Südlich der Aue ist erst in Porz Mitte wieder eine Einkehrmöglichkeit zu finden.

Heute ist die Westhovener Aue renaturiert und wieder ein beliebtes Naherholungsgebiet. Das Wiesenhaus hat an seine ursprünglichen Aktivitäten angeknüpft und bietet Gastlichkeit für Campinggäste und Spaziergänger. Auch das Poller Fischerhaus lädt nach wie vor zur Rast ein. Es ist also fast wieder so, wie der Kölner Lokalanzeiger vor mehr als hundert Jahren schwärmte. Allerdings hat sich die Zusammensetzung der Besucher völlig verändert. Anstelle der ehemals aus dem Zentrum Kölns angereisten Stadtbewohner, besuchen die Aue heute überwiegend die Anwohner aus Ensen-Westhoven und Poll sowie viele Hundebesitzer. Der Leinpfad, der die Aue durchquert, ist zu einer Fahrradstraße mutiert, auf der Radfahrer als Berufspendler, Fahrradwanderer oder Fahrradsportler dahinstürmen und den Fußgängern den Genuss der stillen, ruhigen Wanderung inzwischen sehr wohl verleiden.

Ein Artikel des Projekts „Geschichte der Westhovener Aue“.

  •  Die Einleitung zur Artikelserie finden Sie hier
  •  Die Fortsetzung (Beitrag 2) finden Sie hier.

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