Die Westhovener Aue: 45 Jahre belgischer Militärstützpunkt

Zum Ende des Zweiten Weltkriegs standen die Westhovener Pionier-Kasernen Unverzagt und Mudra leer und waren durch  Luftangriffe und Artillerieeinwirkungen stark beschädigt. Ausgebombte Porzer und Kölner Bürger sowie Vertriebene aus der Ostgebieten suchten hier eine Unterkunft und mühten sich, in den Gebäuden abgeschlossene Wohnungen einzurichten. Augenzeugen aus jener Zeit schilderten die Not, die in der Nachkriegszeit herrschte und die untragbaren hygienischen Zustände auf den Kasernenarealen.

Kazerne Brasseur

Wachhaus Kaserne Adj. Brasseur (AK 1964, Verlag J. Mazelle)

Kaserne Passendale

Das Kwartier Passendale (Luftbild, 60er Jahre)

Einzug belgischer Pioniere

1946 erhielt Belgien, das zu den Besatzungsmächten gehörte, aus der britischen Besatzungszone eine Fläche etwa in der Größe des eigenen Staatsgebietes zugewiesen. Die belgische Armee errichtete im Rheinland und in Westfalen ihre Stützpunkte. Zumeist konnten hierfür Kasernen der ehemaligen Wehrmacht hergerichtet und genutzt werden. In der Region Köln hatte das belgische Militär sehr früh bereiets eine Kaserne in Köln-Delbrück bezogen.

Von dort aus zog 1950 eine erste Gruppe von belgischen Soldaten nach Westhoven, um die beiden Wehrmachtskasernen zusammen mit deutschen Firmen instandzusetzen. Anfang Oktober 1951 konnte eine erste Kompanie des 1. Pionier-Regiments in die ostwärts der Kölner Straße gelegene, nun Kwartier Nieuwpoort genannte, frühere Mudra-Kaserne einziehen. Die westlich der Kölner Straße gelegene bisherige Unverzagt Kaserne war bald ebenfalls instandgesetzt und erhielt den neuen Namen Quartier Adjudant Brasseur. Völlig neu erricht wurde zudem als dritte Kaserne nördlich der Porzer Ringstraße das Quartier Passendale.

Die belgischen Pioniere nutzten erneut das Übungsgelände in der Westhovener Aue, es reichte von der Kölner Straße bis zum Rheinufer. Für das schwere Gerät entstanden dort neue Hallen und die Aue wurde erneut militärisches Sperrgebiet. Die nach Kriegsende wieder gegebene Durchgängkeit des Leinpfads zwischen Westhoven und Poll – wenngleich durch große Zaunlöcher – war damit 1951 bereits wieder beendet. Belgische Soldaten bewachten fortan das militärische Gelände, es war Sperrgebiet mit Stacheldrahtzäunen und der Warnung vor Schusswaffengebrauch.

Erlaubte und unerlaubte Besuche in der Aue.

Während die militärischen Bauten und Fahrzeughallen von der Kölner Straße aus einsehbar waren, blieb das das Übungsgelände den Blicken entzogen. Erst ab den 1980 Jahren konnten zivile Personen bei besonderen Gelegenheiten, zu denen der Tag der Offenen Tür gehörte, einen Blick in die Westhovener Aue werfen. Zu dieser Zeit waren die Belgier und ihre Kasernen bereits zum festen Bestandteil von Westhoven geworden. Zu sehen waren ein aus der ehemaligen Kiesgrube entstandener Teich oder auch ein vom Teich wegführender Wassergraben, den drei nebeneinander liegende, unterschiedlich gebaute Übungs-Brücken überspannten. Ursprünglich war dieser Wassergraben ein Hohlweg für die Gleise einer Schmalspurbahn, die bereits um 1914 den Kies aus der Kiesgrube zum Westhovener Bahnhof transportierte.

Für die Jugend, die auf beiden Seiten des Militärgeländes heranwuchs, hatte das verbotene Auen-Gelände den Reiz von Abenteuer und Unbekanntem: Von Poll aus führte ein schmaler Streifen des Leinpfads parallel zum Ufer bis zum Pionierhafen, dann endete der Weg an einem Zaun. Die letzten 200 Meter waren auf der dem Rhein abgewandten Seite eingezäunt. Der so  entstandene schmale Streifen wurde nicht mehr begangen, verwilderte und erhielt den Namen „Das Ende der Welt.“ Dieser Dschungel wurde für Poller Kinder als Spielort beliebt, denn es gab hier viel zu entdecken.

Auf der Westhovener Seite wurde die Überwindung des militärischen Zauns für die Jugendlichen zu einer Herausforderung. Eine in dieser Zeit beliebte Mutprobe bestand darin, den Zaun in unmittelbarer Rheinnähe zu überwinden und in das militärische Sperrgebiet einzudringen, ohne erwischt zu werden. Stolzer Sieger war jeder, der es bis auf die Poller Seite und wieder zurück schaffte. So manche dieser Exkurse endeten mit einer „Gefangennahme“ durch die Soldaten. Den verständigten Eltern wurden ihre Sprößlinge am Kasernentor übergeben – die häuslichen Folgen waren entsprechend.

Teilweise Öffnung des Leinpfads 1985

Der Einzug der Belgier in das Übungsgelände der Westhovener Aue hatte diese wieder zum mit Stacheldraht umzäunten Sperrgebiet gemacht. Doch der Wunsch nach einer Öffnung zumindest des Leinpfads blieb in den Köpfen der Politiker und Bürger der bis 1975 getrennten Städte Porz und Köln bestehen.

Leinpfad Westhoven

1985: Der Leinpfad als Zaungasse (Archiv KSTA-P, BV-EW)

Leinpfad

…aber die Öffnungszeiten sind noch beschränkt (Archiv KSTA-P, BV-EW)

Eine erste greifbare Lösung schien bereits 1973 in Sicht. Auf eine Initiative des Ratsmitglieds Horst Winkler hin einigten sich die Stadt Köln mit der Belgischen Garnison, den Leinpfad an Wochenenden für Fußgängern und Radfahrer freizugeben. Aber das Geld für den Bau der von den Belgiern verlangten umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen gab der Kölner Haushalt nicht her. Ein zweiter Anlauf 1981, bei dem man auch den belgischen König Baudouin einschaltete, scheiterte am Nein der Nato-Befehlsstellen, Hintergrund waren die damaligen Unruhen in der Tschechoslowakei.

Erst 1984, unter Beteilung aller politischen Kräfte, wurde neben der Zustimmung aller Beteiligten auch das notwendige Budget in Höhe von 560.000 DM bereitgestellt und am 26.August 1985, also 50 Jahre und 42 Tage nach der Schließung von Aue und Leinpfad durch Wehrmacht, war es dann soweit: Der Oberbürgermeister von Köln, der Bundestagsabgeordnete Wischnewski und der unermüdliche Hort Winkler hatten ihr Ziel erreicht. Zumindest an den Wochenenden und Feiertagen war der Leinpfad wieder offen. An den Feierlichkeiten nahmen neben Repräsentanten des belgischen Militärs auch viele Porzer und Poller Bürger teil.

Der Leinpfad wurde nun durchgängig beleuchtet und beidseitig durch Zäune mit großen Toren eingefriedet. Sie dienten den Pionierfahrzeugen zur Querung des Leinpfads zwischen Rhein und Übungsgelände. Zudem gab es nun an beiden Enden des Leinpfades Zugangstore, die während der militärischen Nutzungszeiten verschlossen blieben.

Abzug der Belgier und Renaturisierung der Westhovener Aue ab 1995

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands, der Auflösung des Ostblocks und der politischen und militärischen Entspannung zwischen Ost und West war die kostspielige militärische Präsens belgischer Truppen in Deutschland überlebt. Bis in das Jahr 1995 wurden die Kasernen geräumt, die Immobilien fielen an den Bund. Der verkaufte das Auen-Übungsgelände über das Land NRW an die Stadt Köln.

Zeitgleich erlebte Köln 1993 mit 10,64 Meter und 1995 mit 10,65 Meter zwei Jahrhundert-Hochwasser, dabei entstanden große Gebäudeschäden in den überfluteten Straßen. Daraufhin wurde das Hochwasserschutzkonzept überarbeitet und die Schutzmarke auf 11,30 Meter Kölner Pegel heraufgesetzt. Ein Baustein der Umsetzung waren neue Überflutungsgebiete (Retensionsgebiete ), um ein Ansteigen des Hochwassers abzumildern. Rechtsrheinisch wurden hierfür der Rheinbogen bei Langel und die Westhovener Aue hergerichtet. In der Aue wurden alle früheren Bauwerke entfernt und das Gelände mit einer ökologisch ausgewogenen Mischung von Bäumen, Sträuchern und Pflanzen renaturisiert. Dies gilt als Grundlage für die Ansiedlung einer breiten Vielfalt von Tierarten. Der Abschluss der Maßnahmen wurde feirlich am 1.Mai 2005 begangen.

Nach mehr als 15 Jahren fällt die Bilanz dieser Transformation positiv aus. Die Akzeptanz dieses Naturschutz -und Naherholungsgebietes bei der überwiegenden Mehrheit der Bürger ist Nachweis für ein sinnvolles und gelungenes Projekt.

 

Ein Artikel des Projekts „Geschichte der Westhovener Aue“.

  •  Den vorhergehenden Artikel zur Westhovener Aue (Beitrag 6) finden Sie hier.
  •  Mit diesem  Beitrag endet unsere Artikelserie über die Westhovener Aue.

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