Alexianer Krankenhaus

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Inserat, Allgemein Rundschau v. 11.09.1909

1904 bis 1933: Heil- und Pflegeanstalt Ensen[Bearbeiten]

Vorgeschichte[Bearbeiten]

Die katholische Brüdergemeinschaft der Alexianer hat im Rheinland und in Köln eine lange Tradition der Pflege von Notleidenden und Kranken in ihren Klöstern, von der Säkularisierung blieben sie daher verschont. Die Alexianer besaßen zum Ende des 19. Jahrhunderts in Köln-Lindenthal eine Anstalt für Geisteskranke. Als deren Ausbau an seine Grenzen stieß, erwarb der Träger, die Alexianergenossenschaft Aachen, im Jahr 1904 vom Vorbesitzer Hermann Schmitz den Gutshof Rotes Haus in Ensen zum Kaufpreis von 225.000 Mark.

AK um 1910, rechts das Gut Rotes Haus
AK 1915, ohne Verlag
AK um 1930, Zimmer für Privatkranke

Die neuen Gebäude[Bearbeiten]

Unter der damaligen Adresse Kölner Straße Nr. 30-32 (Flur 3, Parzelle 369/2) errichtete die Genossenschaft die neuen feuersicheren Gebäude der Heilanstalt. Das 81 Meter lange Hauptgebäude mit seinem Ausblick Richtung Rhein bestand im ersten und zweiten Stock aus rund 50 Einzelzimmern für zahlende Kranke. Der vorgelagerte Schmuckgarten mit breiten Rasenflächen war den besser gestellten Kranken vorbehalten. Das Gebäude trägt in der Mitte seiner Front ein Hochdach mit einer großen Uhr. In der Giebelnische findet sich die Figur des Patrons der Genossenschaft, des heiligen Johannes von Gott, geschaffen vom Kölner Bildhauer Nikolaus Steinbach (1854-1936). An der Südseite ist eine Kapelle (Alexianerkirche St. Johannes von Gott) angebaut, sie wurde urprünglich vom Kichenmaler Robert Rosenthal aus Köln ausgemalt.

Die weiteren direkt angebauten Quer- und Längsgebäude schufen ausreichend Platz für verschiedene Abteilungen mit Einzelzimmern, Schlafsälen, verschiedenen Gemeinschaftsräumen, Badeeinrichtungen etc. für rund 200 Kranke. Ein flacher Flügel nahm Küchen, Bäckerei, Wäscherei und Werkstätten auf, zudem entstanden durch die Bauweise auch Aufenthalts- und Wirtschaftshöfe.
Bei der Ausschachtung der Kellerräume wurde so viel Ziegelerde und Sand gewonnen, dass daraus die notwendigen Backsteine für die Gebäude hergestellt und auch der notwendige Mauersand in eigener Regie gefertigt wurden. Der Grundplan zu den Bauwerken stammte vom früheren Generaloberen der Genossenschaft, Quirin Bank. Bearbeitet wurden diese Pläne durch den Arckitekten und Diözesanbaumeister Renard, und ausgeführt durch den Architekten L. Lerschen aus Simpelveld (Niederlande).

Am 20. Oktober 1908 konnte das Hauptgebäude eingeweiht werden, wenige Tage später übersiedelten die Kranken aus Lindenthal nach Ensen. Das Haupthaus des Gutes und seine Nebengebäude blieben nicht nur als Arbeits- und Werkstätten für das Pflegepersonal und die Patienten erhalten. Auf zunächst rund 40 Hektar wurde auch weiterhin Landwirtschaft betrieben, es gab auch Schweine, Rinder, eine Schlachterei und eine Fleischerei. "Durch diese Einrichtung können alle für die Anstalt erforderlichen, im landwirtschaftlichen Betriebe zu gewinnenden Lebensmittel ohne bedeutende Auslagen beschafft und damit die Kosten der Lebenshaltung auf ein Mindestmaß gebracht werden."[1]

An der Kölner Straße entstanden zudem zwei Villen, die heute unter Denkmalschutz stehen: Das Gebäude (heute) Kölner Straße 62 als Wohnung der Familie des leitenden Arztes sowie das Gebäude (heute) Kölner Straße 60 für den Pfarr-Rektor (Hausgeistlichen) der Alexianer.

Das Personal[Bearbeiten]

Erster leitender Arzt war als Oberarzt Dr. med. Paul Schneider, ein Neurologe. Er kam 1908 von der Provinzialanstalt Merzig bei Trier. Ihm stand Dr. Schnütgen aus Porz zur Seite. Das weitere Personal bestand zunächst aus dem theologischen Rektor und etwa 30 als Krankenpfleger ausgebildeten Alexianer-Brüdern. Schneider blieb bis in das Jahr 1923, dann eröffnete er in Köln eine Praxis. Sein Nachfolger wurde als Leitender Arzt bzw. Chefarzt der Internist Dr. Josef Westermann. 1927-1929 waren zudem Dr. Franz Ignaz Johann als Assistenzarzt und rund 40 Pfleger tätig.

Im Ersten Weltkrieg wurden einige Brüder zum Militär eingezogen, sie verrichteten ihren Dienst zumeist in Feldlazaretten. Für seine Verdienste erhilt der Alexianerbruder Stephan Zipfel im September 1915 die Rote Kreuzmedaille.

Die Patienten[Bearbeiten]

Insgesamt bot die Einrichtung Platz für 250 männliche Patienten. Im Jahr 1910 versorgten 37 Brüder insgesamt 278 Patienten, Anfang 1911 waren 247 Plätze belegt. Die meisten Patienten waren psychisch krank, es gab unter ihnen aber auch alkohol-​ und drogenabhängige Menschen. Das Ziel war es, allen noch beschäftigungsfähigen Patienten eine regelmäßige Tätigkeit in den wirtschaftlichen Betrieben oder auf dem mit erworbenen Hofgut anbieten zu können.

Im Ersten Weltkrieg entstand der Anstalt angegliedert ein Militärlazarett. Als Weihnachtsbescherung 1917 sandten der Overather Frauenverein und das Rote Kreuz an über ein Dutzend Adressen Pakete. Das Lazarett Alexianeranstalt Ensen erhielt "83 Gläser eingemachte Früchte, ferner 12 1/2 Liter und 15 Flaschen Beerensaft".[2] Auch nach dem Krieg wurde dieses Lazarett aufrechterhalten. Sein amtlicher Name änderte sich ab März 1920 in "Versorgungs-Lazarett, Nebenabteilung Alexianer-Anstalt in Ensen". Die Patienten wurden in drei Klassen aufgenommen und entsprechend untergebracht. Der Tagessatz für Unterkunft, Pflege und Behandlung betrug 1924 in der Dritten Klasse 1,80 Mark, in der Zweiten Klasse 4,50 Mark und in der Ersten Klasse 7 Mark. Rund 200 Langzeitpatienten wurden zu dieser Zeit dauerhaft vom Rheinischen Landesfürsorgeverband Düsseldorf und vom Landesfürsorgeverband Münster gestellt[3].

Der Januar 1928 verzeichnet 306 männliche Patienten bei 310 Plätzen. 163 Patienten waren 1927 neu aufgenommen worden, 121 entlasssen. 37 Patienten waren 1927 in der Anstalt verstorben. Die Einrichtung bezeichnete sich als "Geschlossene Anstalt für Geisteskranke, Schwachsinnige u. Epileptiker mit offener Abteilung für Nervenkranke"[4]. Entsprechend umgab von Beginn an eine hohe Mauer das Gebäude, es gab einige Wärter und die Zimmerfenster waren vergittert.

1933 bis 1945[Bearbeiten]

Pflegeanstalt, ab 1942 Kriegslazarett[Bearbeiten]

Anfang Januar 1937 war Dr. Wilfried Doering als Assistenzarzt beschäftigt, zudem gab es 43 Pfleger. Die Anstalt belegten 323 männliche Patienten bei 325 Plätzen. Im Jahr 1936 wurden 90 Patienten neu aufgenommen und 70 entlasssen. 31 Patienten verstarben 1936 in der Anstalt.[5].Im Jahr 1939 hatte die neurologische Abteilung 325 Patienten. Ob und wieviel „Euthanasie“-Verlegungen über den Umweg staatlicher Einrichtungen in den folgenden Jahren vorgenommen wurden, ist nicht bekannt[6].
Mit Kriegsbeginn wurden die meisten der in der Anstalt tätigen Brüder zur Wehrmacht eingezogen. In der Kapelle findet sich eine Gedanktafel mit den Namen von 16 an den verschiedenen Fronten zwischen 1940 und 1945 getöteten Personen.

Da im Kriegsverlauf die Zahl der Verwundeten schnell anstieg, wurde das Alexianer-Kloster in Ensen ab 1942 komplett zum Kriegslazarett bestimmt und die letzten eigentlichen Patienten verließen das Haus.

Am 28. Dezember 1944 gab es zwei Bombentreffer auf den Speisesaal und den Südflügel - mehrere Menschen starben. Das Gebäude wurde so stark beschädigt, dass die vorhandenen Kriegsverletzten verlegt werden mussten. Dr. Westermann erhielt daraufhin eine Versetzungsorder an das Reserve-Lazarett Niedermarsberg.

1939-1944: Das "Reserve-Lazarett" als militärpsychiatrische Abteilung[Bearbeiten]

Zugleich wurde ebenfalls mit Kriegsbeginn ein abgegrenzter Bereich wie schon im Ersten Weltkrieg zum Reserve-Lazarett bestimmt, zunächst mit 115 Betten. Jedoch war es nun als neurologische Fachabteilung mit Nervenambulanz und psychiatrischer Wachabteilung ausgestaltet. Es diente in den nächsten Jahren wesentlich neuropsychiatrischen Behandlungen und Experimenten. Geleitet wurde diese auch mit Heeres-Sanitätsstaffel Ensen bezeichnete militärische Einrichtung von Friedrich Panse[7], zuletzt im Rang eines Oberfeldarztes. Sein Assistent war Günter Elsässer, seit 1935 Panse in Forschungsprojekten verbunden und in Ensen im Range eines Stabsarztes tätig. Er führte die meisten Behandlungen durch. Im Team waren wohl weitere Truppenärzte.

Während in den ersten Kriegsjahren Verletzungen von Nerven, Hirn oder Rückenmark versorgt wurden, änderte sich dies ab dem Russlandfeldzug 1942. Soldaten mit psychogenen und hysterischen Reaktionen, sogenannte "Kriegsneurotiker" bzw. "Kriegshysteriker" nahmen zu, im ersten Halbjahr 1943 stellten sie bereits rund 25 Prozent der Patienten, im April 1944 etwa ein Drittel. Panse entwickelte in Ensen eine fragwürdige Elek­tro­schock­me­tho­de zur Be­hand­lung dieser trau­ma­ti­sier­ter Sol­da­ten. Die Behandlungsmethode wurde als "Pansen" bekannt und sollte auch dazu dienen, Simulanten aufzuspüren[8]. Das Elektrosuggestivverfahren bestand aus einem sehr schmerzhaften Hautreiz durch galvanische Ströme zwischen 40 und 100 mA bei gleichzeitigen Suggestivmaßnahmen. Sie bestanden aus Wortsuggestionen, Bewegungsmanövern und Kraftproben. Während der Stromstöße wurden die erheblich schreienden Soldaten-Patienten von 4 Personen fixiert. Der lokale Schmerz war bereits bei 30 mA in Selbstversuchen von Ärzten unerträglich. Doch diese Patienten galten ihren Psychiatern als minderwertige Psychopathen, verweichlicht und empfindlich, denen diese Therapie angemessen sei.

Ab Anfang 1943 war diese Aversionsfolter allgemein in der Wehrmachts-Psychologie ohne Einverständnis des Kranken erlaubt. Ab Juli 1943 musste aus jedem deutschen Wehrkreis ein Sanitätsoffizier in Ensen eine 6-tägige Schulung besuchen, um dort das „Pansen“ zu erlernen. Bis Oktober 1943 hatten 24 Offiziere den Lehrgang durchlaufen. Die Bettenzahl der Abteilung stieg zur Jahresmitte 1943 auf 177 Betten, ab April 1944 auf 210 Betten. Denn nach Ensen wurden auch Patienten aus anderen Lazaretten verlegt, weil Panse den Ruf hatte, auch schwierigste Fälle heilen zu können. Bis Kriegsende hatten er und seine Mitarbeiter 1.300 Soldaten als "Kriegsneurotiker" behandelt. Nach den Bombentreffern wurde die neurologische Fachabteilung Ende Dezember 1944 nach Drolshagen verlagert, Elsässer praktizierte hier noch einige Monate weiter.

1945 bis in die Gegenwart[Bearbeiten]

Am 12. April 1945 erreichte die US-Armee Ensen, die Herrschaft der Nazis war nun hier beendet. Im Juni 1945 beantragte die Heil- und Pflegeanstalt Ensen die Rückkehr von Dr. Westermann auf seine vorherige Position. Gemeinsam mit Dr. Dörung war dieser ab Herbst 1945 weiterhin in der Anstalt tätig. Doch zunächst diente das Gebäude nun dem Erzbistum Köln als Priesterseminar. Dr. Westermann war auch 1956 noch Chefarzt. Die Langzeitpatienten wurden in dieser Zeit in Stationen mit Drei- bis Sechsbett-Zimmern aufgenommen, jede Station hatte rund 30 Patienten. So gab es zB. die Augustinerstation (Station 2) oder die Station Lukas (Station 5). Leiter einer jeden Station war ein Alexianerbruder.

1960 verzeichnete das Adressbuch Dr. Friedrich Martens, Facharzt für Nervenkrankheiten, als Chefarzt der Einrichtung, er war auch 1975 noch in dieser Funktion tätig. 1967 waren noch 17 Alexianerbrüder tätig, die weltlichen Mitarbeiter waren mit 55 Personen aber schon deutlich in der Überzahl. Seit mindestens 1971 trägt der Alexianer-Komplex bis heute den Namen Alexianer Krankenhaus unter der Adresse Kölner Sraße 64.

1968 führte die Verbreiterung der Kölner Straße zum Abriß der Nebengebäude der geschlossenen Hofanlage des Gutshofs. Für die bäuerlichen Tätigkeiten wurden daraufhin auf dem Gelände der heutigen Gärtnerei ein neuer Bauerhof errichtet. Die Beseitigung der Gitter vor etlichen Fenstern geschah in den 1970er Jahren. Die Gemeinschaftsräume wurden ab den 1980er Jahren aufgrund von neuen gesetzlichen Bestimmungen in den folgenden Jahrzehnten deutlich verkleinert und verändert, anstatt der Stationen entstanden Wohngruppen.

Am 8.01.1998 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. Im Hauptgebäude liegen heute noch die Bodenfliesen aus der Errichtungszeit.

Im Jahr 2005 verließen die letzten Brüder das Gebäude, damit war das Klosterleben beendet.

- Wird fortgesetzt -

Quellen, Literatur und Links[Bearbeiten]

Historischer Abriss auf der Website der Alexianer (Link)
Die Historie der Alexianer-Klinik in Köln-Ensen (YouTube-Beitrag)
"Geschichten aus dem Alexianer", hrsg. v. Alexianer GmbH. Köln 2018.
Portal Rheinische Geschichte: Friedrich Albert Panse (Link)
Kaul, Marco Bernhard: Günter Elsässer. Von der Erbforschung zur Psychotherapie. Gießen 2012.

  1. Kölner Lokal-Anzeiger v. 27.9.1908
  2. vgl. Bergische Wacht v. 16.12.1937
  3. Die Provinzialverbände Rheinland (heute: LVR) sowie Westfalen (heute: LWL) waren Kommunalverbände mit umfangreichen regionalen Selbstverwaltungskompetenzen. Sie gründeten nach dem Ersten Weltkrieg Landesfürsorgeverbände, um insbesondere Kriegsverletzte und -hinterbliebene wohlfahrtspflegerisch zu versorgen.
  4. vgl. Die Anstalten für Psychisch- und Nervenkranke, Schwachsinnige, Epileptische, Trunksüchtige usw. in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den baltischen sowie anderen Grenzländern, Berlin 1929
  5. vgl. Die Anstalten für Psychisch- und Nervenkranke, Schwachsinnige, Epileptische, Trunksüchtige usw. in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den baltischen sowie anderen Grenzländern, Berlin 1937
  6. Ab Oktober 1939 wurden zusammen mit einem Runderlass Meldebogen an alle Heil- und Pflegeanstalten versendet. Demnach mussten alle Patienten, die an bestimmten Krankheiten litten (u.a. Schizophrenie, Epilepsie, Schwachsinn, Lues, Senilerkrankungen), die sich seit Jahren dauernd in Anstalten befanden und alle kriminellen und ausländischen Anstaltsinsassen an die Berliner „Euthanasie“-Zentrale gemeldet werden. Diese bezog ihre Räumlichkeiten in der Tiergartenstraße 4, woraus sich der interne Name „Aktion T4“ ableitete.
  7. Friedrich Albert Panse (1899-1973) promovierte 1924 in Berlin zum Dr. med. Als Assistenz- und schließlich Oberarzt war er an den Wittenauer Heilstätten tätig. 1935 wechselte er an die Universität Bonn, ein Jahr später wurde er als überzeugter Nazi und Rassenhygiene-Verfechter in Berlin ohne Habilitationsschrift habilitiert. Zur "Rassenhygiene" hielt Panse in den folgenden Jahren bis zum Kriegsende zahlreiche Lehrveranstaltung und Vorträge, in denen antrophologische oder rassenbiologische NS-Theorien wohl nicht im Zentrum standen. Er setzte nach 1945 mit gerichtlicher Hilfe seine Hochschullaufbahn fort und wurde 1965/66 sogar noch Prä­si­dent der Deut­schen Ge­sell­schaft für Psych­ia­trie und Ner­ven­heil­kun­de.
  8. Bereits im Jahr 1925 hatte Pansen verbreitet, 23 Pro­zent der Kriegs­neu­ro­ti­ker sei­en Erschleicher staatlicher Leistungen.