Rheinische Ziehglas AG

Gründung[Bearbeiten]
Der Verein Deutscher Spiegelglasfabriken (VDS) gründete am 22. Juli 1927 die Rheinische Ziehglas AG (REZAG) auf dem Gelände der Spiegelglaswerke Germania (HR Köln 6478). Das Unternehmen sollte Fensterglas in einer neuen Technologie, dem Fourcault-Verfahren, herstellen. Bei diesem Verfahren wird Flachglas unmittelbar aus der Glasschmelze gezogen, das Schleifen und Polieren im bisherigen Gussverfahren entfällt.
Inhaber der mit einem Aktienkapital von 3 Millionen Mark ausgestatteten Firma waren verschiedene Spiegelglasfabriken im Deutschen Reich. Dies war eine Reaktion der deutschen Glashersteller auf das Auslaufen einer internationalen Stillhaltefrist der Glaswirtschaft, welche die Herstellung von Ziehglas über 4 mm Stärke regulierte. Das Gründungskapital kam dabei aber hauptsächlich aus Belgien und Frankreich. 1928 trat die AG einem Syndikat bei, das die Herstellung und Vermarktung von Ziehglas in Deutschland regulieren wollte. Die Porzer Fabrik erhielt hier eine dominierende Herstellungsquote von 51 Prozent für Exporte[1].
Zwischen Eisenbahntrasse und Poststraße errichtete die Gesellschaft das neue Werk südlich der Spiegelglaswerke Germania (Gemarkung Urbach, Flur 6). Es bestand aus der Fourcaulthütte mit Aufzügen, einem Pumpenhaus, einem Glaslager, einem Fabrikschornstein, einer Kistenschreinerei, einer Kistenlagerhalle (1933) und einem Umkleideraum (1933).
Produktion bis 1944[Bearbeiten]
Bereits ab Herbst 1928 wurde in einer ersten Fourcault-Wanne mit 9 Maschinen Ziehglas produziert. Im Oktober 1929 erhöhte die Aktionärsversammlung das Grundkapital auf 4 Millionen Mark. Vorstand war ab August 1927 der Generaldirektor der Spiegelglaswerke Germania Porz, Paul Mols. Er wurde Anfang 1930 durch Dr. Otto Seeling aus Köln abgelöst.
Auf die Wirtschaftskrise 1931 reagierte das Unternehmen mit Lohnabbau. So erhielten die Arbeiter ab März sechs Prozent weniger Lohn als tariflich vereinbart. Ein Versuch einer weiteren Lohnkürzung um 10 Prozent wurde im Juni 1931 von einem Schiedsgericht untersagt. Zu dieser Zeit bewegten sich die Löhne "zwischen 71,5 Pf. bis 91,5 Pfennig. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die höheren Löhne nur für vereinzelte qualifizierte Berufe in Frage kommen."[2] Aber auch die Vergütungen des Aufsichtsrates wurden vorübergehend außer Kraft gesetzt. Seit dem Gründungsjahr 1927 wurden keine Dividenden ausgezahlt, die Buchschulden erhöhten sich jährlich. 1931 erhielt die Produktion eine zweite Wanne sowie die erste deutsche Pittsburgh-Anlage. Die jährliche Leistungsfähigkeit steigerte sich hierdurch zwar auf 3,5 Millionen m², doch 1932 musste der größte Teil des Betriebs infolge Auftragsmangels stillgelegt werden, die Kapazität lag nun bei nur noch 15 Prozent. Im Januar 1933 schied Dr. Seeling als Vorstand aus und übernahm die Generaldirektion einer Spiegelglasfabrik in Fürth. Zum Nachfolger bestimmten die Gesellschafter seinen bisherigen Stellvertreter Eugen Schmit aus Porz, der die ersten Wochen 1927 bereits Gründungsvorstand war[3].

Ab 1934 zog der Inlandsabsatz wieder an, doch hier lag der quotierte Marktanteil des Werkes nur bei 10 Prozent. In diesem Jahr wurde erstmals ein kleiner Gewinn erzielt und vom angesammelten Verlustvortrag der bisherigen Jahre (900.000 Reichsmark) abgezogen. Am 2. Februar 1935 gründete die REZAG mit zwei weiteren Werken die Deutsche Fensterglas-Ausfuhr GmbH (DEFAG) mit Sitz in Frankfurt, sie war mit 50 Prozent beteiligt. Zwar erhöhten sich dadurch die Ausfuhrmengen, jedoch verschlechterten sich zugleich die international erzielbaren Ausfuhrpreise. Weiterhin waren Überkapazitäten vorhanden: "Von insgesamt 85 in Deutschland bestehenden Fourcault-Maschinen sind derzeit 48, von den vier Pittsburgh-Maschinen ist eine und von den sechs Libbey-Owens-Maschinen vier in Betrieb."[4] Auch 1935 erzielte die REZAG nur einen kleinen, knapp fünfstelligen Gewinn von 14.116 Reichsmark. Dann führten insbesondere der staatlich subventionierte Wohnungsbau und die Schaffung neuer Kasernen im ganzen Reich ab 1936 zu einer deutlichen Steigerung der Inlandsverkäufe, zudem stiegen die im Export erzielbaren Preise. So sprang der Reingewinn 1936 nach Abschreibungen auf 716.870 Reichsmark, was den Verlustvortrag auf ein Siebtel der Vorjahressumme reduzierte. Entsprechend mehr der vorhandenen Maschinen waren in Betrieb.
Ende des Jahres 1936 beteiligte sich die REZAG am 4. Reichsberufswettkampf. Hierzu wurde für die Betriebsjugend am 25. November ein Betriebsjugendappell durchgeführt. Im Mai 1937 wurde eine modernisierte Pittsburgh-Wanne in Betrieb genommen. Das Jahr 1937 brachte einen Reingewinn von 334.243 Reichmark, womit sich erstmals nach 10 Jahren der Verlustvortrag sich in einen Gewinnvortrag änderte. Eine Dividende wurde weiterhin nicht ausgeschüttet. In diesem Jahr konnte die Inlands-Produktionsquote eines geschlossenen Werkes übernommen werden, der Exportanteil betrug nun rund 40 Prozent. Für das Jahr 1938 zahlte die Aktiengesellschaft erstmals eine Dividende in Höhe von 3 Prozent aus. Der Gewinn lag auf Vorjahresniveau. Im Geschäftsjahr war eine Wannenerneuerung notwendig, was zu Produktionsausfällen führte. Auch ein Arbeitskräftemangel machte sich bemerkbar, als nach der Erneuerung zwei große Wannen parallel betrieben wurden.

1939 war es mit der Dividende bereits wieder vorbei. Denn nicht näher ausgeführte Produktionsschwierigkeiten führten zu einem sinkenden Absatz und dieser zu einem Reingewinn von lediglich 43.000 Reichsmark.[5] Im Juni 1940 erhielt die REZAG einen erweiterten Vorstand. Die Aktionäre bestimmten die Ingenieure Adolf Andörfer aus Porz und Georg Brunion als Ratingen zu weiteren gleichberechtigten Vorstandsmitgliedern[6]. Brunion schied bereits Ende Oktober 1940 wieder aus, nun führte die Doppelpitze Schmit/Andörfer die REZAG. Im Geschäftsjahr 1940 sank der Absatz weiter, die Kosten stiegen, Anlageabschreibungen mussten getätigt werden. Das Ergebnis waren tiefrote Zahlen - minus 490.000 Reichsmark zehrten den Gewinnvortrag auf und führten erneut zu einem Verlustvortrag in das kommende Jahr.
1941 war nur einer der drei Glasöfen in Betrieb, er deckte aber die gestiegene Nachfrage. Der Umsatz lag höher als im Vorjahr, der Reingewinn bei 211.477 Reichsmark. Diese kamen durch eine 4-prozentige Dividende zur Ausschüttung. Im März 1942 erhöhten die Aktionäre das Grundkapital der REZAG auf 4,75 Mio. Reichsmark. Im Juli 1942 erhielt Ewald Helle aus Porz Prokura. Das Ergebnis 1942 entsprach dem Vorjahr in Absatz und Reingewinn. Es flossen 6 Prozent Dividende. Auch im Kriegsjahr 1943 liefen die Geschäfte weiterhin gut und ermöglichten eine Dividende von 4 Prozent.[7]
Während des 2. Weltkriegs errichtete die REZAG drei Wohnbaracken, eine Waschbaracke und eine Wirtschaftsbaracke. In diesen Gebäuden wohnten wohl auch die Zwangsarbeiter, das Unternehmen setzte nach eigenen Angaben rund 90 ausländische Zivilarbeiter gegen ihren Willen ein - unabhängige Quellen hierzu sind bisher nicht bekannt. Wann das Unternehmen 1944 kriegsbedingt seinen Betrieb einstellte, ist ebenfalls nicht bekannt.
Von der REZAG zum VEGLA-Werk[Bearbeiten]
Die Kriegsschäden der REZAG waren wohl überschaubar, denn bereits im Herbst 1945 konnte das Unternehmen in Porz mit einer kleinen Wanne von 300 t Fassungsvermögen wieder Flachglas produzieren. Bis zum Sommer 1946 wurde so eine halbe Million m² Fensterglas gefertigt. Dann nahm eine zweite 1000 Tonnen-Wanne ihren Betrieb auf. Dies steigerte die Fensterglasproduktion auf 400 tsd. bis 450 tsd. Quadratmeter pro Monat[8]. Eugen Schmit blieb weiterhin Vorstand.
(Fortsetzung erwünscht)
Soziales Engagement[Bearbeiten]
Im Februar 1932 bestand bereits eine Fußballmannschaft "Ziehglas Porz 1" für Firmensport-Turniere, die ihr erstes Spiel zur Platzeinweihung allerdings gegen "Rhenus Rheinsee 1" mit 2:8 verlor. Die Gesangsabteilung der REZAG wurde 1934 in den Sängerkreis Köln aufgenommen. Ihr Leiter war zu dieser Zeit Direktor Friedrich Hessinger[9]. 1936 besteht der Werkchor aus 90 Sängern unter der Leitung von Heinrich Pesch. Im Dezember 1936 richtete die REZAG im Skala-Theater eine Weihnachtsfeier für die Frauen und Kinder der Belegschaft aus. Bei Kaffe, Schokolade und Kuchen wurde ein Krippenspiel aufgeführt und eine Blaskapelle spielte. "Alle Kinder, über 350 an der Zahl, bekamen eine Tüte mit Leckerbissen und je ein Spielzeug".[10]
Quellen, Literatur und Links[Bearbeiten]
Möller, Horst: Saint-Gobain in Deutschland. München 2001.
Hamburger Weltwirtschaftsarchiv HWWA - Digitalisierte Presseausschnitte, u.a. Bilanzen (Link)
- ↑ vgl. Kölnische Zeitung v. 22.3.1933
- ↑ Westdeutsche Landeszeitung v. 6.8.1931
- ↑ Eugen Schmit stammte aus Luxemburg. Er hatte 1923 bereits Gesamtprokura für die Spiegelglaswerke Germania erhalten. Er war mit Thea Wieneke verheiratet, einer Tochter des Porzer Fabrikanten Fritz Wieneke und wohnte an der Adresse Concordiaplatz 11.
- ↑ Kölnische Zeitung v. 24.9.1935
- ↑ vgl. Kölnische Zeitung v. 5.9.1940
- ↑ vgl. Kölnische Zeitung v. 24.06.1940
- ↑ vgl. Hamburger Fremdenblatt A2 Abendausgabe v. 27.6.1944
- ↑ vgl. Badener Tageblatt v. 6.7.1946
- ↑ Zum Jahresende 1934 wurde "Fritz" Hessinger zum Obmann der Bezirksgruppe Porz bestimmt, ab Jahresbeginn 1936 bis Januar 1938 war er zudem Erster Sängerkreisführer-Stellvertreter des Rheinisch-Bergischen Sängerkreises
- ↑ Der neue Tag v. 21.12.1936