Die Westhovener Aue – schon immer Überschwemmungsgebiet

Rheinaustraße 7: Anwohner 1920 im Nachen, englische Besatzungssoldaten. (Q: Porz in alten Ansichten Köln 1977, Bild 41)

Hochwasser, Geologie und Geografie

Hochwasser

„Einmol em Johr kütt d´r Rhing us em Bett…”  heißt ein bekanntes Lied der Bläck Föös. Dieses Ereignis lockt immer wieder unzählige Touristen in die Kölner Altstadt. Auch die Westhovener Aue könnte ein Lied davon singen. Seit 1920 ist sie insgesamt 23 Mal vom Hochwasser heimgesucht worden. Die Westhovener Aue war und ist ein für das Hochwasser ungeschütztes und offenes Gebiet. Die Überflutung beginnt bei einem Wasserstand von über 10 m KP.

Das extreme Hochwasser von 1784 überflutete die Aue bis zu 4 m. Zu jener Zeit gab es noch keine Hindernisse wie Autobahnen und Eisenbahndämme. Daher bestand damals die konkrete Gefahr, dass der Rhein sich einen ständigen neuen Verlauf sucht, die Stadt Köln wäre beinahe vom Rhein-Strom abgeschnitten worden. Denn die Wassermassen brachen bei Westhoven ins Inland durch, um sich östlich von Deutz ein neues Rheinbett zu suchen. Das Wasser erreichte zwar noch nicht die Niederterrassen von Westhoven und Poll mit ihren 50-53 m über NN, wohl aber die mit 45-47 m über NN liegenden Gebiete vom östlichen Poll (Im Wasserfeld), Gremberg, Buchforst und schließlich Mülheim.

Hochwassermarken

Die vielen Flutkatastrophen sind seit Jahrhunderten nicht nur in Erzählungen überliefert, sondern auch als bildliche Darstellung in Form von Hochwassermarken an Mauern, Brücken, und Türmen.

Myriameterstein in Ensen. Die Metallkugel zeigt das Hochwasser 1882 (Q: Archiv d. Bürgervereinigung Ensen Westhoven)

Auch in Westhoven befinden sich Hochwassermarken, z.B. über dem Eingang der Nikolauskapelle und an den Hochwasserschutzmauern. Eine besondere Marke ist am Myriameterstein Mr. 51 zu sehen. Dort ist die Höhenmarkierung des Hochwassers von 1882 durch einen Dorn mit einer Kugel in den Stein eingeschlagen.

Rheinhochwasser hat es in unregelmäßigen Abständen und unterschiedlichen Höhen und Wirkungen immer gegeben. Seit 1816 wird es am sog. Kölner Pegel (KP) gemessen, der bei Stromkilometer 688 und dessen Null-Punkt 35 m über NN liegt. Am 1. November 1979 wurde der KP um 1,00 m abgesenkt, da es bei Niedrigwasser zu negativen Messwerten gekommen war. Die Original-Pegeluhr des Kölner Pegel, die von 1951 bis 1979 im Einsatz war, befindet sich im Archiv der Bürgervereinigung Ensen-Westhoven e.V.

Die Kölner Bucht: hellgrün – Niederterrassen; weiß –  Hochflutbereich; blau – Flußbett (Q: Braun & Quitzow, Krefeld 1961)

Geologie

Auf seinem langen Weg hat der Rhein in der Kölner Bucht, die vom Bergischen Land im Osten und der Ville im Westen begrenzt wird, vielfach sein Flussbett verändert. Zudem hat er sich immer tiefer in die Kölner Bucht eingegraben, so dass Terrassenstufen entstanden sind. Im rechtsrheinischen Teil der Kölner Bucht hat sich eine Niederterrasse gebildet, deren westliche Kante sich von Mondorf an der Sieg über Niederkassel, Langel, Niederzündorf, Porz, Westhoven, Poll bis zum Brücker Mauspfad hinzieht. Unterhalb dieser Niederterrasse befindet sich das eigentliche Flussbett des Rheins mit einem Hochflutbereich, der Niederung.

Gliederung einer Flussterrassen-Stufe (Q: Anton, wikipedia.org, Flussterasser.png)

Die Westhovener Aue liegt im Hochflutbett des Rheins und wird im Süd-Osten von der Niederterrasse begrenzt, deren Kante sich in einer fast geraden Linie von der Rheinaustraße in Westhoven bis zur Kölner Straße südlich der Autobahnauffahrt erstreckt. Geologisch setzt sich die Aue weiter bis nach Gremberg fort, wird aber durch die von Menschenhand geschaffenen Hindernisse wie Autobahn und Eisenbahndämme nicht mehr als solche wahrgenommen. Die nördliche Begrenzung der Aue befindet sich an der Niederterrassenkante  im höher liegenden Teil von Alt-Poll.

Geografie

Die gesamte Fläche der Westhovener Aue beträgt ca. 215 Hektar. Heute gliedert sie sich in verschiedene Teile:

Die Aue: blaue Linie – Verlauf der Niederterrassenkante; rote Linien – Hochwasserschutz bis 11,30m KP; schwarze Kreise – ungeschützte Bebauung

  • Nördlich der Autobahn gehören noch rund 22 Hektar des Stadtteils Poll zur Aue, die entlang des Weidenwegs mit Wohnhäusern bebaut sind.
  • Die mit der Autobahn bebaute Fläche vom Rhein bis zur Kölner Straße einschließlich Zu- und Abfahrt beansprucht etwa 8 Hektar.
  • In Westhoven ist das ursprüngliche Auengebiet in einer Größe von 40 Hektar bebaut und wird bezeichnenderweise Unterdorf genannt. Im Gegensatz zur Bebauung am Weidenweg ist dieser Bereich heute durch Hochwasserschutzeinrichtungen von zwei Seiten vor Hochwasser geschützt.
  • Der Auenbereich zwischen der Autobahn und der Wohnbebauung Westhoven mit rund 140 Hektar wird als „eigentliche“ Westhovener Aue im Sinne von Naherholungsgebeit verstanden. Hier befinden sich das ehemalige Militärgelände, die Kleingärten, das Wiesenhaus, die „Sportbereiche“ und die Häuser am Weidenweg, eine Hundewiese sowie die Sporthalle am Poller Weg.

Nutzung

Die geologische Beschaffenheit der Aue hat zu unterschiedlichen Nutzungen geführt. Die in Überschwemmungsgebieten üblichen Ablagerungen von Kies und Sand ließen Kies- und Sandbaggereien und die ehemalige Ziegelei an der Nikolausstraße entstehen. Im gesamten süd-östlichen Kölner Raum ist eine Vielzahl von ehemaligen oder heute noch existierenden Kiesgruben und Ziegeleien anzutreffen.

Eine besondere Formation von Kies und großen Steinen bildete sich an der Rheinflanke der Westhovener Aue, der sog. Rosamentsgrund. Um die Breite der Fahrrinne  von 150 Metern sicherzustellen, wurden ab 1890 Abbaggerungen vorgenommen und Kribben vor Ensen und Westhoven angelegt. Der Sportplatz der Ensener Grundschule an der Hohestraße entstand durch das Auffüllen von Material des Rosamentsgrunds zwischen zwei dieser neuen Kribben.

Da das Auengelände ständig von Überflutungen bedroht ist, eignet es sich überwiegend für eine extensive Beweidung durch Schafe und weniger für eine landwirtschaftliche Nutzung. Es gibt aber auch Bereiche, an denen Ablagerungen von Sedimenten fruchtbaren Lössboden entstehen ließen. So siedelten sich im Unterdorf von Westhoven eine Vielzahl von Gärtnereien an, die bis in die 60er Jahre des 20. Jh. dort tätig waren. Auch die Kleingärten in der Aue zeugen von fruchbarem Boden in diesem Bereich. Ursprünglich müssen Teile der Aue auch bewaldet gewesen sein, wovon noch Restbestände östlich der Kölner Straße zeugen.

Hochwasser 1948: Rheinaustraße mit Schutzmauer (Q: Archiv d. Bürgervereinigung Ensen Westhoven)

Hochwasserschutz

Durch die extremen Hochwasser wurde der Hochwasserschutz in Westhoven für die ganze Region wichtig. Eine besonders gefährliche Situation ergab sich regelmäßig in Höhe des damaligen Schützenhofs, der einem starken Strömungsdruck ausgesetzt war. Es entstand an diesem Haus (im Bild links) ab einem bestimmten Hochwassserstand eine Stromspaltung, wobei das Wasser sowohl am Ufer entlang als auch landseitig in die Rheinaustraße mit ihren Häusern, Höfen und Gärtnereien hinein lief.

Eine erste Schutzmauer wurde 1925 begonnen, bereits während der Bauzeit überflutet und 1926  fertiggestellt. Mit einer Länge von 590 m und einer Oberkante von KP 10,95 reichte sie von der Rheinaustraße bis zur Roberststraße.

Rheinaustraße 1926 – Q: Archiv d. Bürgervereinigung Ensen Westhoven

Der Betrieb der Ziegelei an der Nikolausstraße wurde in den 60er Jahren aufgegeben. Von 1973 bis 1975 entstand an seiner Stelleder vielgeschossige Wohnpark Westhoven nebst einem  Sportplatz.

Die Hochwasser 1993 und 1995 deckten Mängel im Hochwasserschutz auf. Die Stadt Köln verabschiedete daher am 3.7.1995 ein neues Konzept, im Rahmen dessen u.a. Schutzeinrichtungen bis zu einer Wasserhöhe von 11,30 m gebaut werden sollten. In Westhoven wurde im Zuge dieser Maßnahmen die alte Hochwassermauer durch ein neues Mauerwerk aus Basalt und Beton mit einer 30 cm hohen aufsetzbaren Schutzwand ersetzt. Letztere ist bis zum Jahre 2022 noch nicht zum Einsatz gekommen.

Bilder der überfluteten Aue 1995

Das überflutete belgische Militärgelände. Vor dem bewaldeten Streifen in der Aus sind versunkene Kleingärten zu erkennen.

Blick auf die Aue Richtung Nordosten. Beide Fotos: Archiv der Bürgervereinigung Ensen Westhoven

Ein Artikel des Projekts „Geschichte der Westhovener Aue“.

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