Städtepartnerschaft? Braucht es sie noch in Zeiten der Globalisierung, in der wir uns alle als weitgereist und weltläufig empfinden? Das klingt zunächst auch etwas altmodisch und nach Honoratioren-Treffen… Auch sind die Orte eher klein und unbekannt, ob da wohl viel los sein wird? Bei 33 Porzern überwog deutlich die Neugier und sie haben sich zur Pfingst-Reise zu den Partnerstädten angemeldet. Einige davon waren schon als Jugendliche zum Austausch dort gewesen, andere haben durch ihre Mitgliedschaft im Partnerschaftsverein (PVP) persönliche Freundschaften geschlossen, wieder andere waren einfach nur offen für Begegnungen oder angelockt durch das attraktive und abwechslungsreiche Reiseprogramm.
Die Städtepartnerschaft zu Hazebrouck in Nordfrankreich und Dunstable nördlich von London besteht seit Mitte der 50er Jahre. Porz hat sich im Eingemeindungsvertrag garantieren lassen, dass diese eigenen Partnerschaften weitergepflegt werden. Dieser Aufgabe widmen sich der Vorstand und die Mitglieder des PVP mit viel Engagement. Sie unterhalten mit den Partnerschaftsvereinen der „ville jumelée“ und der „twin city“ regen Kontakt. Davon durften nun wir Reiseteilnehmer profitieren und schon mal als Fazit vorab: Wir sind uns einig – es hat sich gelohnt!
In Hazebrouck haben uns die Ratsmitglieder Henriette Vandenbroucke und Martine Dauchez herzlich empfangen und auf unserer Stadterkundung begleitet. Hazebrouck ist flämisch geprägt, mit hübscher Altstadt, vielen kleinen Häusern, netten Läden und einem imposanten Rathaus. Ein ansehnliches ehemaliges Augustinerkloster beherbergt das städtische Museum. Dort wurden uns die überdimensionalen „géants“ präsentiert, teils
historische, teils humoristische Figuren, die bei verschiedenen karnevalsähnlichen Umzügen durch den Ort getragen werden. Damit haben die Hazebroucker und die Porzer doch schon einmal eine bedeutsame Gemeinsamkeit!
Die Gastgeber haben uns weiterhin den berühmtesten Sohn der Stadt, Abbé Lemire (1853 – 1928), nahegebracht. Dessen schön eingerichtetes Wohnhaus neben dem blühenden Stadtpark und der Kirche St. Eloi ist heute Gedenkstätte und bietet einen interessanten Einblick in das Leben und Denken dieses streitbaren Kirchenmanns und Sozialreformers.
Zum Abendessen in einem rustikalen „Estaminet“ („Schänke“) waren wir in Gesellschaft von zahlreichen Hazebrouckern, darunter auch Ratsmitglieder und der Bürgermeister. Bei „Carbonnade Flamande“ (Rindfleisch in Bier geschmort) und „Potche vleche“ (Sülze) und dunklem Bier wurde viel gelacht – auch über die gegenseitige „kreative“ Verständigung in mehreren Sprachen.
So waren wir schon herzlich vertraut, als wir am kommenden Morgen zum offiziellen Empfang bei Bürgermeister Bernhard Debaecker erneut zusammentrafen. Im großen festlichen Rathaussaal mit Kronleuchtern, Spiegeln und hohen Decken, wurde einmal wieder deutlich, wieviel Wert in Frankreich auf Tradition und Repräsentation gelegt wird und wie dies eine feierliche und gehobene Stimmung schafft. Der Bürgermeister von Hazebrouck freute sich besonders über ein ausgefallenes Geschenk: Die Porzer Künstlerin Brunhilde Trierweiler hat eigens ein Gemälde des Porzer Rheinpanoramas geschaffen und auch selbst überreicht. Unser Reiseleiter und Vorsitzender des PVP Thomas Ehses betonte die Dauerhaftigkeit der Verbindung beider Städte und dass aus Partnerschaft längst Freundschaft geworden sei.
Leider mussten wir uns dann schon wieder verabschieden, um unser „Shuttle“ durch den Eurotunnel nicht zu verpassen, die Einfahrt des 14-Meter-Busses in den schmalen Waggon war eine Meisterleistung unseres Fahrers Thomas. Die Leckermäulchen unter uns verkürzten sich die Reise unter dem Kanal beim Genuss der feinen Patisserien, an denen man in Hazebrouck einfach nicht vorbeigehen konnte… Vive la France!
Die südenglische Landschaft zeigte sich dann bei herrlichem Sonnenschein und frühlingshafter Üppigkeit von ihrer besten Seite – man kann die Briten beglückwünschen, dass sie hier auf jede Flurbereinigung verzichtet haben… In Dunstable bezogen wir Quartier im Hotel Old Palace Lodge, very british mit viel dunklem Holz und einer Hotelbar, die sofort zum Treffpunkt und Schauplatz intensiver Gespräche wurde.
Abends sollten wir uns schick machen, denn Gloria Martin, Town Mayor, hatte zum Empfang in das Rathaus geladen. Dieses ist im „Grove House“, einer ehemaligen Postkutschen-Station untergebracht. Also auch hier wieder schöne historische Räumlichkeiten, dabei kleiner und familiärer als in Frankreich. Nach dem Austausch der üblichen Höflichkeiten und Geschenke plauderte man zwanglos bei Wein, Elderflower-Drink (Holunderlimonade) und einem köstlichen Fingerfood-Buffet. Die Bürgermeisterin, eine sehr humorvolle Frau, erhielt eine zweite Version des Rheinpanoramas von Brunhilde Trierweilers Hand und zeigte uns anschließend ihr Büro, in dem bereits zwei Vitrinen mit Gastgeschenken aus Porz gefüllt sind – insofern war das Gemälde eine Superidee!
Die Verständigung war in Dunstable etwas einfacher als in Frankreich, denn die meisten Teilnehmer sprachen Englisch, einzelne Mitglieder des britischen Partnervereins auch gut Deutsch. Zwei Stadtführer illustrierten uns am Samstag lebhaft die Ortsgeschichte: Dunstable ist entstanden als Kreuzungspunkt zweier wichtiger historischer Verkehrsadern – noch heute gruppiert sich das Zentrum um die nach wie vor verkehrsintensive Kreuzung. Vom ehemals weitläufigen Augustinerkloster ist nur noch ein Teil der Kirche, die Priory-Church erhalten, sie liegt heute sehr pittoresk in einem Park mit herrlichem englischen Rasen, auf dem dicht an dicht früher die Klostergebäude standen. Der Wohlstand des Ortes resultierte zunächst aus der Schafzucht, später kam eine bedeutende Hutfabrikation hinzu. Heute ist man erfreut, dass Amazon hier jüngst ein Verteilzentrum eingerichtet hat.
Am Nachmittag waren wir zum Afternoon Tea eingeladen (delicious!), abends zu einem kurzweiligen Konzert der Dunstable Town Concert Band. Einige von uns wollten auch das Nachtleben ein wenig erkunden, haben allerdings dann keinen traditional Pub aufgesucht, sondern eine modernere Location, wo sich offensichtlich die jüngeren Einwohner von Dunstable sehr wohl fühlen. Wir haben die heimischen Biere probiert – nur unser Gastgeber Nigel Warren hat Deutsches Weißbier bestellt, wohl die Folge eines längeren München-Aufenthalts…
Den Pfingstsonntag hat unsere Gruppe in London verbracht. Einen Tag nach der Royal Wedding war die Stadt noch voller als ohnehin schon. Aber Thomas Ehses lenkte uns in Westminster mit seinem rosa Schirm sicher durch die Menschenmassen und auf ein Themseboot, von dem aus wir bequem die Skyline der Metropole genießen konnten. Erneut war herrlicher Sonnenschein und jeder hatte noch Gelegenheit, einige Stunden auf eigene Faust unterwegs zu sein.
Am Abend wurde unser Besuch mit einem festlichen Dinner im Hotel abgeschlossen, bei dem das Vorurteil über die angeblich schlechte Kochkunst der Briten absolut widerlegt wurde. Die Porzer bedankten sich mit Kölschen Gesängen, was die Gastgeber wiederum sichtlich erfreute. Erneut haben alle bekräftigt, die Freundschaft weiter pflegen zu wollen, von britischer Seite aus mit dem Bonmot „We’ll leave the EU, but we’ll not leave Europe“.
Die Rückfahrt am Pfingstmontag erlaubte uns noch einen Zwischenstopp in Canterbury zur Besichtigung der dortigen imposanten Kathedrale, Sitz des Oberhauptes der Anglikanischen Kirche. Viele ergriffen hier auch die letzte Gelegenheit, Fish & Chips zu essen.
Die Fahrt ist von den Partnerschaftsvereinen aller drei Städte wunderbar organisiert worden. Wir sind bereichert von den vielen Gesprächen und Eindücken zurückgekehrt. Etliche von uns auch mit der Bereitschaft, sich weiter für die Städtepartnerschaften zu engagieren. Insbesondere der Austausch unter Jugendlichen würde wieder etwas Anstoß benötigen, da dies von den Schulen offenbar kaum noch geleistet werden kann. Hier neue Angebote zu entwickeln, wird für die Zukunft wichtig. Der PVP freut sich über neue Ideen und nicht zuletzt über neue Mitglieder.