Rußfarbenfabrik

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Vorgeschichte

Am 26. April 1897 erbaten die Brüder Heinrich und Anton Bünnagel die Genehmigung für den Bau einer Rußfabrik in Porz vom Landkreis Mülheim. Sie betrieben zu diesem Zeitpunkt bereits in Köln-Nippes eine Schwarzfarbenfabrik. Als Standort der geplanten "NYX GmbH" war eine Fläche südlich des Dorfes Porz an der Grenze zu Zündorf, östlich der heutigen Hauptstraße vorgesehen. Geplant waren zwei Anlagen für die Erzeugung von leichtem Ruß sowie eine Anlage für schweren Ruß mit einem 33 m hohen Schornstein. Der beigefügte Lageplan zeigte nur einen Umkreis von 70 Meter und hier nur unbebautes Gelände. Allerdings schrieb bereits damals eine Verordnung für Rußfabriken einen Abstand von 600 Meter vor. Tatsächlich befanden sich in 100 m Umkreis ein Wohnhaus, in 200 m das Fabrikgelände der Adelenhütte sowie die kleine Siedlung Möckeburg mit acht Wohnhäusern und der evangelischen Kapelle, in 300 m bereits 21 Wohnhäuser. Der Antrag wurde mit Auflagen genehmigt, darunter

"daß die Belästigungen durch austretenden Ruß nicht dasjenige Maß überschreite, dessen Duldung den Nachbarn oder dem Publikum im Interesse der eigenen Existenz oder der Gesundheitspflege angesonnen werden kann".

Damals war es üblich, solche Konzessionsgesuche durch Anschlag und Zeitungsveröffentlichungen bekannt zu machen und eine vierzehntägliche Frist für Widersprüche zu setzen. Wohl erstmals in der Porzer Geschichte nutzten umliegende Bewohner im Porzer Raum nun dieses Widerspruchsrecht - 31 Porzer (darunter Peter Koerfer) und 29 Zündorfer (darunter Adelheit Immendorf) erhoben Einwände gegen die Fabrik. Daraufhin gab es vom Juli bis September 1897 mehrere Anhörungen, in denen von beiden Parteien auch Sachverständigen-Gutachten vorgetragen wurden. Die Mehrheit der Sachverständigen konnte dabei keine erheblichen Gefahren oder Belästigungen durch die Produktion erkennen. Im Ergebnis wurden die zutreffenden Argumente der Gegner verworfen und den Schilderungen der Fabrikanten geglaubt, dass sie eine hochmoderne Anlage errichten würden, bei der keinerlei Ruß-Emission durch Schornsteine entweichen.

Geschäftsverlauf

Paris 1900: Eintrag im Katalog

Zum Jahresende 1897 wurde nördlich der Adelenhütte im heutigen Bereich der Rezagstraße mit der Errichtung der Rußfarbenfabrik begonnen. Ein bestehendes Wohnhaus wurde dabei in ein Kontor umgebaut, an der Hauptstraße entstanden mehrere Arbeiterwohnhäuser neu. Zudem wurde der Schornstein und eine Gaswaschanlage errichtet. Hinzu traten eine Gleianlage mit Anschluss an die Eisenbahntrasse sowie eine Kaianlage am Rhein. Der Kaufmann Albert Bente (*1864) war zunächst Mitinhaber, bereits ab Juli 1898 dann aber Alleininhaber der GmbH. Das Handelsregister verzeichnet seit 1896 seine "Kölner Rußfabriken", in die er nun das Porzer Werk integrierte. Zu diesem Zeitpunkt war eine erste Anlage bereits in Betrieb. Der weitere Aufbau vollzog sich bis in das Jahr 1899, wobei das Rußkammersystem dreistöckig anstatt zweistöckig ausgeführt wurde und 21 anstatt der 15 genehmigten Rußöfen betrieben wurden. Bereits am 17. Juli 1899 wird ein erstes Patent veröffentlicht.

Ruß war zu dieser Zeit ein wichtiger Grundstoff. Hergestellt wurde er durch Verbrennung von Teeröl, Steinkohlenteer und Naphtalin. Mit Ruß hergestellt wurden Lackfarben, Buchdruckerschwärze, Schuhcreme und Autoreifen. Auf der Weltausstellung in Paris 1900 wirbt Bente mit "Spezialität: Lampen-, Oel und calcinirter Ruß für die verschiedensten technischen Zwecke. Export nach allen Welttheilen". Zum 1. Januar 1901 wurde das Unternehmen in die "Kölner Russfabriken-Actiengesellschaft" umgewandelt, von 700.000 Mark Grundkapital wurden zunächst 25 Prozent bar eingezahlt. Später firmiert das Werk dann als "Kölner Ruß- und Schwarzfarbenfabrik A.G.". Im März 1901 lässt sich das Werk ein Fabrikationsverfahren für Flammruß patentieren: Pech und Ruß werden gewonnen, indem der Teer selbst einer unvollständigen Verbrennung ausgesetzt wird, dabei wird der entzündete Teer in einem Ofen in Form einer Zylindertrommel ständig gedreht. All das diente auch der Temperaturbegrenzung, damit der Ruß nicht verbrannte. [1] Dieses neue Verfahren wurde aber nicht in der Produktion des Werkes eingesetzt, sondern nur in einer Versuchsanlage. Um diese Zeit beschäftigte die Fabrik 30 Personen und arbeitet immer wieder auch an Sonn- und Feiertagen zur Bewältigung der Aufträge. Der Arbeitsdruck war hoch, zur Steigerung der Produktion wurden Abkühlzyklen verkürzt, was zu Brandwunden und sogar im August 1900 zu einer größeren Explosion führte. 1902 drückte die allgemeine Wirtschaftkrise die Produktion um rund 20 Prozent. Ein Briefkopf um 1904 zeigt die Fabrik in völlig übertriebener Größe, eine Ansichtkarte mit Blick auf einen Teil des Betriebsgeländes um 1912 ist bisher leider nur als Reprint nachgewiesen[2].

Durch die verschiedenen Behördenauflagen konnte die Firma nicht länger ihre profitorientierte, hinsichtlich der Sozial- und Umweltstandards minimalistische Produktionsweise fortführen. Nachrüstungen und Umbauten schmälerten die Rendite. Am 10. Mai 1907 wurde die Fabrik durch die Firma "August Wegelin AG für Russfabrikation und chemische Industrie" zunächst gepachtet, später dann übernommen. Die Kölner Rußfabriken AG verzeichnete durch diese Transaktion einen Fehlbetrag von 343.259 Mark und ging in die Liquidation. Der Schmidtsche Aktienbesitz ging dabei "vollständig in die Hände der Herren Wegelin & Grünberger über"[3]. Die Firma August Wegelin hatte ihren Ursprung in Köln-Sülz und war ab 1895 in (Hürth)-Kalscheuren angesiedelt. Wegelin wollte die Fabrik vergrößern und stellte im August 1908 einen entsprechenden Antrag. Doch durch die Vorgeschichte des Porzer Werkes war der Antrag chancenlos und wurde im Dezemberzurückgezogen. Die Produktion lief weiter. Im Februar 1914 führte die Entzündung von Naphtalin in einem Waggon zu einem Großbrand, der aber nicht auf Werksgebäude übergriff. Erst in den 1920er Jahren endete in Porz die Erzeugung von Ruß, die Konkurrenz des amerikanischen Gasrußes wurde zu stark. Stattdessen stellte das nun deutlich verkleinerte Werk nur noch Schwarzfarben her. 1929 endete der Betrieb, 1934 erfolgte der Abbruch der Gebäude. Die Firma Wegelin hingegen wurde 1932 mehrheitlich von der Degussa AG übernommen und ging 1939 vollständig in ihr auf.

Umweltschäden

Entgegen aller im Genehmigungsprozeß eingegangenen Garantien belastete die Fabrik ihre Umwelt von Beginn der Produktion an erheblich. Bereits im Januar 1900 teilte der Bürgermeister dem Kreisausschuss mit, sogar Passanten auf der Provinzialstraße würden sich an den austretenden Rußflocken stören. Ein neben der Fabrik gelegenes Grundstück sei dicht mit Ruß bedeckt. Ein benachbarter Häusler war in seinem Wäschebetrieb massiv beeinträchtigt. Das Arbeiterwohnheim der Spiegelglaswerke beklagte, "unsere ganzen Betten im Schlafsaale sowie die Tische im Sopeisesaal mit Ruß überschüttet zu sehen". Nicht nur durch die Schornsteine, sondern auch bei der Entleerung der Rußkammern entstanden dichte Ruß- und Rauchwolken. Doch die Kontrolleure verharmlosten die Emissionen zunächst systematisch. Selbst die von der Konzession abweichende Bauten duldeten sie. Doch der Druck wuchs und im Oktober 1900 erstattete der Bürgermeister Strafanzeige, nachdem sogar 300 Arbeiter der benachbarten Adelenhütte mit Streik gedroht hatten; sie fürchteten um ihre Gesundheit. Eine erneute Inspektion zeigte, dass Entgegen der Baugenehmigung die Endkammern der Anlagen für leichten Ruß fehlten und alle Abgase anstatt durch die kurzen Schornsteine durch den hohen Schornstein geführt wurden. Dieser war an abweichender Stelle und ohne jegliche filternden Eisenjalousien errichtet worden.

Besitzer Bente, der bislang alle Klagen als "übertriebene Empfindlichkeit" zurückgewiesen hatte, reagierte nun zunächst lediglich mit einem Nachtragsgesuch, aber im April 1901 auch mit einem Antrag auf Neubau zweier Doppelfabriken auf dem Gelände. Dies wurde nicht bewilligt und die Verhandlung der Strafanzeige führte zunächst nur zu einer Geldstrafe von 50 Mark wegen Gewerbevergehens, sie ermöglichte aber auch die Androhung der Stillegung. In der Fabrik wurden daraufhin Maßnahmen ergriffen, die Emissionen zu verringern. Eine nun entwickelte "Rußwaschanlage" als wasserbad-basierte Auffangeinrichtung konnte in der Folge sogar zum Patent angemeldet werden und ab 1902 waren die Beschwerden über den Ruß aus dem Kamin deutlich rückläufig, denn er sammelte sich nun im Wassserkessel der Auffangeinrichtung. Jedoch entstanden weiterhin massive Flugrußwolken durch die Öffnung von Luken und die Entleerung des Rußes auf die Entladebühne; die Gesamtbelästung war kaum geringer als vorher. Aufgrund zusätzlicher gravierender Mängel bei Tatenlosigkeit des Werkes versagte der Kreisausschuss im Januar 1904 die weitere Konzessionierung, inzwischen ging es auch um die Grundwasserverunreinigung. Doch unter neuen Auflagen wurde dieser Beschluss bereits im Sommer 1904 durch das preußische Ministerium für Handel und Gewerbe aufgehoben.

Auf dem Gelände standen in den 1950er Jahren Häuser mit Werkswohnungen der Rezag, zum Beginn der 1960er Jahre wurde hier das Wohngebiet Rezagstraße errichtet. Heute, nach über 100 Jahren sind die oberflächennahen Rußablagerungen nicht mehr nachweisbar. Aber der Rohstoff Teeröl hat das Erdreich kontaminiert, vermutlich durch ein undichtes unteriridsches Leitungssystem. Bei Testbohrungen wurden Anfang der 90er Jahre Teeröl- und Pechbestandteile sowie weitere Schadstoffe in hoher Konzentration im Erdreich nachgewiesen, ebenso im Grundwasser. Daraufhin wurde der Außenbereich einer Kindertagesstätte geschlossen und durch Bodenaustausch und Umbau in 2005 saniert. Ein vorhandener Kinderspielplatz wurde ebenfalls saniert. Für die Nutzung der Grünflächen gibt es vorsorgliche Handlungs- und Nutzungsempfehlungen des Umwelt- und Verbraucherschutzamtes der Stadt Köln.

Quellen, Literatur, Links

Gebhard Aders: Der Streit um den Betrieb einer Russfabrik in Porz 1897 bis 1908. In: Rechtsrheinisches Porz, 13.1987.
Website der Stadt Köln zum Wohngebiet "Rezagstraße" (Link)

  1. Dt. Pat. Nr. 133270 v. 28.03.1901; Österr. Pat. Nr. 12619 v. 15.2.1903.
  2. Der Briefkopf findet sich bei Aders, das Reprint ist von R.Anhäuser mit falscher Zeitangabe 1909.
  3. Zeitschrift für angewandte Chemie, (1907)39, S. 2151 und (1908)7, S.326.