Meirowsky & Cie.

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1900 bis 1941: Meirowsky AG

Vorgeschichte in Ehrenfeld

Patent-Anmeldung 1896, Aachener Anzeiger v. 12.7.1896

Zum 31. Januar 1894 gründeten Max Meirowsky (1866-1949) und der in Norwegen tätige Jonathan Heide in Ehrenfeld die Handelsgesellschaft Meirowsky & Co zur Gewinnung und dem Vertrieb von Glimmer, Monazit und Feldspat.[1] Bereits zwei Jahre später trennte sich Meirowsky von seinem Partner und führte die Firma unter der Registernummer 6597 fort. Er begann nun, selber Isolationsmaterial aus Glimmer für die Elektroindustrie zu fertigen und meldete sein erstes Patent eines Isolierkörpers 1896 unter der Nummer M11902 an. Hieraus erwuchs seine erste Fabrik, Produkte waren verschiedenste Mikamite, geschichtete Platten mit hervorragenden elektrischen Eigenschaften. Doch am 13. Mai 1900 wurde seine Glimmerwarenfabrik in der Philippstraße "zum Teil durch eine verheerende Feuersbrunst eingeäschert. Der Brand entstand in einem Materiallager und ist auf Selbstentzündung zurückzuführen."[2]

Gründung in Porz

Meirowsky suchte nun wohl ein neues größeres Fabrikgelände und fand ein geeignetes Gelände in Porz. Er errichtete 1905/1906 ein Zweifamilienwohnhaus an der Kaiserstraße[3]. Zunächst umfasste die Produktion Lacke, Ölleinen und Ölpapier. 1906 waren von 63 Arbeitskräften 53 Frauen. Im August 1909 erhielt das Unternehmen dann die Genehmigung des Gemeinderats, auf einem knapp 10.000 qm großen Gelände südlich der Kaiserstraße und östlich der Eisenbahntrasse einen Fabrikneubau zu errichten[4]. Gebaut wurden eine Firnissiederei, ein Kesselhaus, ein Schaltraum, Werkshallen, eine Glimmerplattenfabrik das Verwaltungsgebäude und die Direktionsvilla. Im Jahr 1910 arbeiteten hier bereits 245 Mitarbeiter. Das weitläufige Werk in Porz erhielt die Postadresse Kaiserstraße 125-127.

Kölner Lokal-Anzeiger v. 7.9.1912

Zudem wurde das Unternehmen im Juli 1910 in eine Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 2 Mio. Mark, zunächst noch mit Sitz in Köln, umgewandelt. Gründer der AG waren neben Max die Familienmitglieder Leo (Kaufmann) und Emil (Arzt) sowie Karl Hermann (Prokurist) und Robert Hüwel (Kaufmann). In die AG brachte Max Meirowsky auch die Betriebsflächen und Maschinen in Ehrenfeld ein, so dass vom Grundkapital nur 4000 Mark nicht von ihm gehalten wurden. [5] Am 15. Oktober 1910 war der Umzug von Ehrenfeld nach Porz vollständig abgeschlossen, wodurch die AG nun im Handelsregister Mülheim unter Nummer 74 eingetragen war. Im Juli 1912 erfolgte eine Kapitalerhöhung auf 3 Millionen Mark. Im Mai 1913 zeigte der Jahrebericht einen Reingewinn von 432.932 Mark, aus dem 10 Prozent Dividende ausgeschüttet wurden. Zum Jahresende stiftete Max Meirowsky dem Bürgermeister von Porz 3.000 Mark für wohltätige Zwecke[6].

Für die Anwohner war diese neue "Lackfabrik" lange Jahre kein Segen - die Produktion war mit übel riechenden Emissionen verbunden. Die Belastung der Nachbarschaft blieb bis in das Jahr 1914 weiterhin erheblich. Noch 1912 beschwerten sich Eisenbahnverwaltung und Spiegelglaswerke über Gerüche und Emissionen. Das Heizen der Kessel mit Leinölrückständen führe zu einem unerträglichen Gestank, Pflanzen und Wäsche würden durch dichten Ruß bedeckt, man könne nichts anfassen ohne sofort schwarze Hände zu haben. Doch in den Folgejahren änderte sich nichts - der Unternehmer selber lebte in Köln-Lindenthal. [7]

1914 beschäftigte das Werk bereits rund 500 bis 600 Personen und die Monopolstellung vieler Erzeugnisse steigerte den Umsatz auf 5 bis 6 Millionen Mark und erbrachte den Aktionären einen Dividende von 12 Prozent. Die Produktpalette umfasste nun Schichtpressstoffe, lackierte Kupferdrähte, Isolierpapiere und -gewebe, Schaltdrähte, Isolierrohre und -schläuche, Kondensatoren und weiter Erzeugnisse. Die harzgebundenen Hartpapiere für die eletrotechnische Verwendung wurden unter der Bezeichnung "Pertinax" vermarktet. Dann begann der Weltkrieg, die Firma "bezahlt den ins Feld gerückten verheirateten Angestellten das volle Gehalt weiter und den unverheirateten die Hälfte".[8] Im Ersten Weltkrieg litt die Fertigung elektrischer Leitungen unter dem Mangel an importierten Rohstoffen, vor allem Kupfer. Pertinax wurde aus heimischen Rohstoffen hergestellt, und so verwendeten die Rüstungsbetriebe nun Eisenleiter mit einer Meirowsky-Isolation. Zudem wurde Perinax in Fabriken auch als Ersatz für importabhängige Werkstoffe genutzt, zum Beispiel im Ritzelbau.

Max Meirowsky verkauft seine Anteile

Kaufgesuch, Kölnische Zeitung v. 4.9.1919

Nach dem Krieg führten die wieder verfügbaren Rohstoffe allerdings zur Unverkäuflichkeit einiger Meirowsy-Produkte. Zudem war die Monopolstellung dahin, die Konkurrenz nahm sprunghaft zu - selbst in Porz gründete der aufstrebende Wilhelm Ruppert eine leistungsfähige Elektroisolatoren-Fabrik. Daher bereitete Max Meirowsky in Geheimverhandlungen 1918 den Verkauf seiner Anteile vor. Doch zunächst wurd edie Fabrik erweitert, dabei kauft das Werk auch eine Lokomotive und Normalspur-Güterwagen für eine eigene Werksbahn mit Gleisanschluss. Die Felten & Guilleame Carlswerk AG hatte großes Interesse, die Palette ihrer Draht- und Kabelherstellung durch die Produkte von Meirowsky zu erweitern. Der Verkauf vollzog sich bereits 1919 in aller Stille, Max Meirowsky erhielt für seine Anteile und den Verzicht auf Ansprüche als Generaldirektor insgesamt 7,5 Millionen Mark zuzüglich weiterer 5,7 Millionen Mark verteilt auf zehn Folgejahre. Auf diese Weise gelangte die Felten & Guilleaume (F&G) in den nahezu vollständigen Aktienbesitz und an eine Produktionsstätte am früheren Standort Porz. Zum Jahresende 1919 verdoppelte die Generalversammlung das Stammkapital auf 6 Mio. Mark, 1921 wurden es dann 8 Millionen Mark. Im Mai 1921 wurde eine Meirowsky-Stiftung mit einer halben Million Mark begründet. Ihre Erträge sollten bedürftigen Arbeiter und Angestellten zugute kommen. Der Verkauf seiner Anteile jedoch wurde erst bei der Generalversammlung im Juli 1922 sichtbar, als Max Meirowsky als Direktor ausschied und Carlswerk-Vorstände in den Meirowsky-Vorstand einzogen. Max Meirowsky bereute in den Jahren danach seinen Schritt, suchte ihn rechtlich rückgängig zu machen und wollte in Köln-Bickendorf ein neues Isolierstoff-Werk bauen. Doch nach der Rhein-Ruhr-Besetzung durch Frankreich zog er nach Berlin. Sein dortiges neues Werk in Reinickendorf wurde 1927 durch einen Großbrand zerstört und nicht wieder aufgebaut.

Werbung, 1930er Jahre

Zwischenkriegsgeschichte

1925 wurde die Porzer Firma durch den technischen Direktot Otto Engel und den kaufmännischen Direktor Josef Daiber geführt. In den ersten drei Quartalen des Jahres 1926 betrug der Gesamt-Nettoumsatz 2,81 Millionen Mark, doch die vergangenen Jahre hatten 1927 Verluste von 1,4 Millionen Mark aufgehäuft, die zur Hälfte durch F&G übernommen wurden. Ein Vorstandswechsel, Rationalisierung und die Straffung der Belegschaft führten zunächst zur Wende. Doch dann drückte die weltweite Depression den Umsatz erneut. Erst ab 1933 stiegen die Umsätze erneut, nun auch durch Aufträge aus der Aufrüstung der Wehrmacht und für den Aufbau von Fernmeldenetzen. Das Unternehmen expandierte, der Bedarf der aufstrebenden Elektroindustrie war groß. Produziert wurden neben Isoliermaterialien und Kondensatoren auch Transformatoren bis hin zu Großtransformatoren für höchste Spannungen. Exportiert wurde in über 40 Staaten. Das Firmengelände war seit den Anfängen in Porz erheblich gewachsen. Von im Jahr 1938 inzwischen 200.000 qm waren 90.000 qm bebaut, darunter ein Gemeinschaftshaus, eine Kantine, eine Sporthalle und zahlreiche Wohnungen für Angestellte.

Exkurs: Die (frühere) Meirowskystraße

Die Familie Meirowsky war jüdischen Glaubens und daher ab 1933 den Repressalien der Nationalsozialisten ausgesetzt. Max Meirowsky emigrierte 1938 von Berlin über die Niederlande in die Schweiz. Dort starb er 1949 mit 84 Jahren in Genf.
Die Porzer Nationalsozialisten haben zeitgleich mit der Umbenennung 1941 den Namen "Meirowsky" aus dem Straßenverzeichnis getilgt. Denn nach dem Unternehmer und Mäzen war zwischenzeitlich eine Straße benannt worden, die von der Bergerstraße im Norden parallel zur Eisenbahntrasse bis zur Kaiserstraße nahe der Hauptzufahrt zum Werk führte. In dieser Straße hatte die Firma in den Jahren 1919 bis 1921 Häuser für die leitenden Angestellten errichtet, die Häuser Nr. 1 bis 13 sind heute noch vorhanden und stehen unter Denkmalschutz. Die Porzer Nationalsozialisten änderten den Namen in Georg-Ohm-Straße. Nach dem Weltkrieg erhielt die Meirowskystraße ihren Namen nicht zurück, die Georg Ohm-Straße wurde zu Ohmstraße verkürzt. Ein Vorstoß zur Rückbenennung 1988 scheiterte durch eine nicht zwingende formale Begründung; stattdessen beschloss die Bezirksvertretung Porz 1989, einer Wohnanliegerstraße in einem Neubaugebiet weit ab in Eil den Namen Meirowskystraße zu geben.

Die Folgefirmen

Ab 1941: Dielektra AG (F&G)

Das Unternehmen änderte im August 1941 die Firmierung des Werkes in Dielektra AG, nachdem das Reichswirtschaftsministeriums die Umbenennung aller jüdischen Firmenbezeichnungen im März 1941 angeordnet hatte. Das Werk erhielt im Zweiten Krieg zunächst keine Einstufung als Rüstungsbetrieb, in den Hallen waren 265 französische Kriegsgefangene und russische Zwangsarbeiter tätig. Die Betriebsanlagen erlitten zwar Kriegschäden, aber bereits im August 1945 konnt die erste Produktion wieder aufgenommen werden. Bereits zum Anfang der 50er Jahre überschritt der Jahresumsatz den Vorkriegsumsatz, rund 1.300 Beschäftigte erwirtschafteten rund 30 Millionen DM. 1956 entstanden neue Werkshallen auf rund 9000 qm. Bis zum Anfang der 1960 Jahren wuchs die Belegschaft auf 2.000 Mitarbeiter an, die auch dünne, nichtleitende Platten (Laminate) als Basismaterialien für gedruckte Schaltungen herstellten. 1968 vereinigte F&G das Werk organisatorisch mit drei Lackdraht- und Dynamodrahtfabriken in Kassel, Berlin und Köln-Mülheim zur "Felten & Guilleaume Dielektra AG" (FGD). In den 1970ern wurde der Höhepunkt der Produktivität überschritten, der weitere Geschäftsverlauf folgte dem kriesengeschüttelteten weltweiten Konjunkturverlauf. Zum Jahresende 1981 arbeiteten noch 370 Beschäftigte im Porzer Werk, Gerüchte von Verkauf oder Schließung machten die Runde.

Ab 1982: Wechselnde Eigentümer

1982 trennte sich F&G von dem Werk. Unter den vier neuen geschäftsführenden Eigentümern ging es mit der "Dielekta GmbH" wieder aufwärts, Umsatz und Beschäftigtenzahlen stiegen bis zur nächsten Krise 1988. 1990 erwarb Siemens die Fabrik. In den folgenden Jahren lautete der Kurs Konsolidierung durch Verkleinerung. Doch die Konkurrenz aus Asien bereitete zunehmend Sorgen. 1997 kaufte der US-Konzern Park Electrochemical die Dielektra GmbH, die 300 Mitarbeiter erhofften sich ein starke Muttergesellschaft. Nun musste aber jede Stelle, jede Gehaltserhöhung und jede Investition über 800 Mark in den USA abgesegnet werden. Geschäftsfelder wurden per Dekret aus den USA verändert, die Entwicklungsabteilung durfte nur noch auf Anweisung tätig werden, Aufträge wurden an Schwesterwerke verlagert. 2002 war der Werk überschuldet, die Laminatpresse abgestellt und 100 Mitarbeiter mussten gehen. Ein Jahr später wurde ein weiterer Produktionsbereich geschlossen, erneut erhielten rund 100 Mitarbeiter ihre Kündigung. Am 5. Februar 2004 meldete das Werk Insolvenz an. Der seit 1997 konzeptlos agierende amerikanische Geschäftsführer wollte das Unternehmen abwickeln, doch die Insolvenzverwalter setzten sich für eine Fortführung ein. Durch Mitarbeiterbeteiligung und Management-Buy-Out firmierte das Unternehmen ab September 2004 neu als Dielektra Technologie GmbH. Doch die Finanzdecke war zu dünn und die bisherigen Geschäftspartner zu verunsichert. Am 8. Juli 2005 folgte für die verbliebenen 68 Mitarbeiter die zweite Insolvenz. 2006 kaufte der Mittelständler Lamitac aus Schwaben die verbliebenen Fabrikgebäude. Er produzierte mit 52 Unternehmen bis zum Februar 2009. Dann wurde die Industrieproduktion entgültig eingestellt. Die Inhaber rissen inzwischen leerstehende Gebäude nieder und versuchten sich am Konzept eines Gewerbeparks. Doch auch dieser scheiterte. Im Jahr 2017 wurde das eindrucksvolle Hauptgebäude abgerissen. Drei Eigentümer teilten sich danach die Industriefläche, auf einem weiteren Teilstück errichtete das Autohaus Schmitz seinen Neubau. Unter den Eigentümern war die Doblinger Projektentwicklungs GmbH, München.

Die Zukunft?

Das gesamte Gebiet ist als Gewerbe- und Industriegebiet im Bebauungsplan ausgewiesen, daher ist Wohnungsbau ausgeschlossen. Die Inhaber haben die inzwischen weitgehende Brachfläche an die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) verkauft. Diese planen, ohne vorher das Gespräch mit der Porzer Politik gesucht zu haben, auf dem Gelände nahe des Porzer Zentrums in den Jahren 2022/23 ein E-Bus-Depot verwirklichen zu können.

Quellen, Literatur und Links

  • Horst A. Wessel: Die Firma Meirowsky & Co., später Dielektra, in Porz und ihre Leistungen auf dem Gebiet der künstlichen Isolierstoffe für die Elektrotechnik. in: Rechtsrheinisches Köln 18.1992
  • Heinz Schmid-Bachem: Aus Papier. Eine Kultur- und Wirtschaftsgeschichte der Papier verarbeitenden Industrie in Deutschland. Berlin 2011
  • Rheinische Industriekultur: Dielektra (Link)
  • Mathias Irle: Kölsch für alle. Brand Eins 2005 (Link)
  1. Handelsregister Nr. 3700, vgl. Kölnische Zeitung v. 10.4.1894.
  2. vgl. Ohligser Tageblatt v. 16.5.1900.
  3. Flur 6 Nr. 264/16, vgl. HAStK, Best. 9030B, A 3015.
  4. vgl. Meldung in Kölner Loka-Anzeiger v. 6.8.1909.
  5. Handelsregister Nr. 1501, vgl. Kölnische Zeitung v. 19.8.1910. Später Nr. 2229
  6. Mierowsky war in Köln als Kunstmäzen tätig (u.a. beim Kunstgewerbemuseum) und stiftete insgesamt viel Geld für wohltätige Zwecke.
  7. vgl. Gebhard Aders: Porz um 1910. In: Rechtsrheinisches Köln 12.1986, S. 123.
  8. Kölnische Zeitung v. 22.8.1914.