Fabrikgelände Hochkreuz

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Inserat Rheinischer Merkur v. 5.8.1912
Berliner Börsen-Zeitung, 25.09.1913
Plan der Stadt Köln 1924: Die Zünderfabrik wird immer noch als "Dynamitfabrik" bezeichnet.

Fabrik elektrischer Zünder[Bearbeiten]

Am Hochkreuz nördlich von Eil entstand 1910 auf dem früheren Gelände einer Sprengstoff-Fabrik an der Frankfurter Straße eine Zünderfabrik. Sie trat ab dem 31. Mai 1910 zunächst als Wilhelm Bentsch, Berlin, Zweigwerk Eil unter der Adresse Frankfurter Chaussee 100 in Erscheinung.[1] Bereits 1911 firmiert sie aber als Zünderfabrik Bartsch & Real GmbH Fabrik für Grubenbetrieb. Zweck der Firma war die "Herstellung elektrischer Minenzünder und Zündmaschinen sowie anderen Grubenbedarfs". Das Stammkapital betrug 80.000 Mark. Geschäftsführende Gesellschafter waren W. Bartsch aus Köln-Deutz und J. Real aus Essen-Ruhr.[2] Zwei schwere Unfälle ereigneten sich 1912 und 1913. 1912 kamen beim Brand eines Säureschuppens die beiden Kinder des Betriebsleiters Josef Pohl ums Leben. Die Familie wohnte direkt gegenüber der Fabrik im Fabrikkontor. Die Kinder waren dem Kutscher nachgegangen und unbemerkt zurückgeblieben. Am 25. September 1913 entzündete sich morgens beim Transport durch ein Mädchen Material. Es fiel dann in eine Kiste mit Pulverplättchen. Die folgende Explosion tötete die 16-jährige Sybilla Mombauer aus Eil und verletzte den Schlossermeister Linke aus Eil und die 17-jährige Arbeiterin Kath. Ihnenfeld aus Rath lebensgefährlich. Linke starb an seinen Verletzungen. 14 weitere Personen wurden teils schwer verletz. Die Zündplättchenabteilung und der hintere Teil der Fabrik wurden bei der Explosion völlig zerstört.[3]. Im Werk arbeiteten offensichtlich in erheblichem Umfang Kinder und Jugendliche aus Eil. Die bei der Explosion zerstörten Fabrikgebäude wurden 1913 wieder aufgebaut. Das Unternehmen bestand bis 1915, dann wurde die Konzession an die FEZ weitergereicht.

Die Fabrik Elektrischer Zünder GmbH (F.E.Z.) war im Jahr 1895 als Tochtergesellschaft der 1886 in Köln gegründeten Rheinisch-Westfälischen Sprengstoff-Gesellschaft (RWS) entstanden. 1916 verlagert die F.E.Z. aus Platzgründen ihre Produktion von Troisdorf an das Hochkreuz nach Eil und erweiterte die Gebäude um ein Kesselhaus, ein Labor und ein Magazin. Es entand eine neue Zündhütchenfabrik, die Zünder waren ebenfalls für den Bergbau bestimmt. Die Fabrik am Hochkreuz produzierte zumindest bis zum Jahresende 1927.

Eine weitere kleinere Produktionsanlage wurde in der Nähe der Kleinbahn-Haltestelle an der Steinstraße 17 errichtet. Das Unternehmen kaufte hierfür die Immobilie von der Metallwerks Franz Dittert auf und errichtete hier ein Fabrik- und Bürogebäude neu. Der Betrieb lief von 1916 bis 1925. 1933 wurde dieses Gebäude an der Steinstraße dann an Franz Pfaff verkauft.

Im Juni 1931 fusionierten rückwirkend zum 1. Januar desselben Jahres die RWS (Sitz Köln) mit anderen westdeutschen Sprengstoffwerken und der Hamburger Dynamit Aktiengesellschaft zur Dynamit AG mit Sitz in Troisdorf, die so zur Besitzerin der leer stehenden Immobilie am Hochkreuz wurde.

1933-1936: Folterstätte und Führerschule der SA[Bearbeiten]

Bergische Wacht v. 3.7.1933

In der ersten Julihälfte 1933 errichteten SA-Männer der Standarte 65 aus Porz, Wahn, Bensberg und Bergisch-Gladbach in der stillgelegten Zünderfabrik nicht nur eine SA-Führerschule, sondern auch ein sogenanntes Schutzhaftlager. Der Standort erschien günstig, weil fern aller Wohnbebauungen. Hierzu bereitete die SA die Gebäude auf die geplante Unterbringung von über 60 Personen vor: Die zweistöckige Schlosserei und ein Gebäude am Maarhäuser Weg wurden als Massenunterkünfte hergerichtet. Räume des Pförtnerhauses an der Frankfurter Straße wurden zu Vernehmungszimmer und Wachstube. Im Kesselhaus entstanden Zweimannzellen, in seinem Keller jedoch ein Folterraum. In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 1933 wurde die geplante Aktion unter Beteiligung von sieben Polizeibeamten und rund 20 bis 25 SA-Männern durchgeführt. Sie durchsuchten in sieben Trupps die Wohnungen einer langen Liste von Verdächtigen und verschleppten zwischen 60 und 75 Personen, ganz überwiegend Kommunisten und einige Sozialdemokraten, auf das umzäunte Fabrikgelände. Während der folgenden Tage mißhandelten SA-Schläger 16 der verschleppten Männer schwer: Sie schlugen mit Stöcken und Gummiknüppeln, tauchten die Männer minutenlang in Eiswasser, hängten Sie an der Decke so auf, das ihre Zehenspitzen gerade den Boden erreichten. Der Eiler Matthias Neu starb 1934 an seinen so erlittenen inneren Verletzungen. Ende Juli 1933 wurde der größere Teil der Insassen freigelassen, 21 Personen hingegen der regulären Kölner Polizei überstellt.

Edmund Schiefeling, Verleger und Chefredakteur der zentrumsnahen Bergischen Wacht in Engelskirchen, wurde bereits seit Mitte März 1933 durch die SA verfolgt und hatte sich zeitweise dem Zugriff durch Flucht entzogen. Bei einem Termin am 18. August in Bergisch-Gladbach nahmen ihn Polizeibeamte und SA-Männer überraschend in "Schutzhaft", brachten ihn in das Lager Porz in eine leer stehende Halle und ließen ihn allein. Man wollte ihn durch eine nicht verschlossene Tür zum Fliehen veranlassen und dann "auf der Flucht erschießen. Da Schiefeling jedoch verharrte, fuhr man ihn noch in der Nacht - angeblich auf Anordnung der SA-Gauleitung - zurück nach Engelskirchen[4].

Die NSDAP-Kreisleitung belegte das Lager am Hochkreuz im November 1933 erneut kurzzeitig mit 21 männlichen Gefangenen aus dem Kreis Lindlahr, um diese einzuschüchtern. Diese Personen hatten sich lediglich geweigert, an den Novemberwahlen teilzunehmen. Nach diesen Geschehnissen nutzte die SA die Bauten auch weiterhin als SA-Schulungsstätte. Noch im April 1936 nannte eine örtliche Tageszeitung das Hochkreuz als Adresse für die Entgegennahme von SA-Spenden.

Inserat, Kölnische Zeitung v. 11.6.1941

Nutzungen des Geländes ab 1938[Bearbeiten]

1938 wird als Eigentümer eines Teils des Areals Peter Graf genannt. Er baut im östlichen Areal einzelne Gebäude für die Zwecke seines Betriebs um, in dem er zunächst Modell- und Schreinerarbeiten ausführte. Zu dieser Zeit hieß der Maarhäuser Weg "Peter-Hermann-Straße"[5]. 1943 firmiert Peter Graf als Maschinen-Apparate-Bau Rohrleitungen Industrie-Bed. Werk Hochkreuz

Nachfolger des Betriebs wurde etliche Jahre später die Firma Porzer Camping- und Freizeitmarkt Caravan Holke von Claus Holke. Unter der Adresse Maarhäuser Weg 2-6 verkaufte und verlieh sie Wohnwagen und Reisemobile, verkaufte Campingbedarf und Gasflaschen und war auch als Prüfstelle für Gasflaschen lizensiert. Wohnwagen und Wohnmobile konnten hier auch untergestellt werden. Der Geschäftsbetrieb endete 2021/22.

Nutzer des Kesselhauses und der umliegenden Gebäude und Flächen wurde ab Januar 1948 die Firma Rus-Papier GmbH der Familie Rus. Sie produzierte unter der Adresse Frankfurter Straße 774-776 Verpackungslösungen, unter anderem mit einem Umroll- und Formatschneidebetrieb, und handelte mit Industriepapieren am Standort Hochkreuz bis in das Jahr 2022, dann verlegte sie ihren Sitz in den Aachener Raum.

Im Jahr 2012 kaufte die Stadt Köln den westlichen Teil des Geländes, auf dem ein vermietetes Wohnhaus und Nebengebäude standen, darunter das Pförtnerhaus. Der größere östliche Teil blieb im Besitz der Immobilienholding OSMAB, die das Gelände verwerten wird. Im Januar 2023 wurden alle noch bestehenden Gebäude auf dem Grundstück abgebrochen. Das mit der ursprünglichen Dynamitfabrik errichtete Kontorhaus auf der gegenüberliegenden Seite der Frankfurter Straße war bis zu einem Großbrand im April 2022 ein Restaurant.

Quellen, Literatur und Links[Bearbeiten]

  • Gebhard Aders: Das Schutzhaftlager der SA am Hochkreuz in Porz-Gremberghoven. In: Rechtsrheinisches Köln 8.1982.
  • Ausarbeitung von Schülern des Maximilian-Kolbe-Gymansiums 2009 zum NS-Lager. (Die Passagen zum "Durchgangslager" und zur Firma Stellawerk verwechseln allerdings das Hochkreuz und das Lager in Bergisch-Gladbach) (Link)
  • Das NS-Schutzhaftlager auf KuLaDig (Link)
  • Website der Rus-Papier GmbH (Link)
  1. lt. Aufstellung Gebhard Aders: Porz um 1910. In: Rechtsrheinisches Köln 12.1986, S. 113.
  2. vgl. ETZ 1911, S. 1123.
  3. vgl. Bericht Kölner Lokal-Anzeiger v. 25.9.1913
  4. vgl. Ruland, Peter: Edmund Schiefeling im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. In: Indoktination, Unterwerfung, Verfolgung. Lindlahr 2021.
  5. Der Bezug dieses Namen ist noch unklar.